Weißt du, welche Frage ich mir oft stelle? Diese hier: Wieso sitze ich stundenlang zu Hause am Schreibtisch, zermartere mir das Hirn und mir fällt nichts, aber auch gar nichts ein? Kaum gehe ich raus, betrete ein Café, sitze am Tisch zwischen all den anderen Leuten und mitten in all dem Lärm, rennt mein Stift quasi wie von selbst über das Papier. Oder wenn wir bei den Treffen unserer Autorengruppe eine Schreibviertelstunde einlegen, dann braucht es nur ein paar Momente und ich weiß, was ich schreiben möchte.
Warum ist das so?
Ich weiß von anderen Autoren, dass es ihnen ähnlich geht. Und denken wir an das berühmteste Beispiel, J.K. Rowling. Wo hat sie ihre Bestseller geschrieben? Eben.
Oder anderer, ähnlicher Fall: Ich brüte seit Stunden über einer möglichst tollen, prägnanten Formulierung. Und? Nix, ein Abgrund aus Nichts. Sobald ich aber beispielsweise am Herd werkele oder spazieren gehe, schwupps, ist die geniale Idee da – übrigens passiert das gerne auch nachts im Bett oder morgens unter der Dusche, wie jede Autorin weiß.
Aber nun mal im Ernst: warum ist das so? Ich wünschte, ich wüsste die Antwort. Denn dann, das ist ja klar, hätte ich meinen schon lange geplanten Roman fertig, eine eigene Anthologie verfasst und überhaupt und so weiter.
Was wäre nämlich die Lehre,
die wir aus des Rätsels Lösung ziehen würden? Dass wir natürlich dann alle außer Haus künftig unsere Geschichten und Romane verfassen und keiner würde mehr zu Hause am Schreibtisch vor leeren weißen Blättern verzweifeln. Ganz nebenbei würde das vielen kleinen Cafés in vielen kleinen Städten das Überleben sichern. Dabei fällt mir ein, dass mir gerade kürzlich der Betreiber eines sehr gemütlichen Cafés von einer Gästin erzählte, die manches Mal Stunde um Stunde bei ihm an einem Tisch sitzt und Seite um Seite füllt. Sie schriebe an einem Roman, habe sie ihm gesagt. Nun kann es natürlich sein, dass diese Autorin zu Hause vier Kinder im Kleinkindalter hat, dazu fünf Hähne, zwei bis drei Pferde und, das schlimmste von allem, einen Ehemann und sie deswegen fliehen muss, um in Ruhe schreiben zu können. Diese Fälle gibt es sicher zuhauf, aber die meine ich nicht. Denn da ist der Unterschied zwischen draußen und drinnen greifbar und offensichtlich.
Ich frage mich das jedenfalls immer wieder und ich habe bisher noch keine Antwort darauf gefunden. Es wäre ja auch interessant, mal zu hinterfragen, ob das nur belletristischen Autor*innen so geht oder auch denen von Sachbüchern oder auch Journalist*innen und anderen, die schreiben.
Meine Theorie ist,
dass uns zu Hause die falschen Dinge ablenken. Ich kann für mich bestätigen, dass meine Gedanken, wenn ich am meinem Schreib-Schreibtisch sitze, sich gerne auch mal mit dringend zu erstellenden Einkaufslisten beschäftigen oder mit dem grauslichen Chaos in der Schublade unten links im Kleiderschrank. Wenn wir außer Haus sind, fremde Leute beobachten, fremden Gesprächen lauschen, dann entspannen wir vielleicht (oder wahrscheinlich) wesentlich mehr als in der eigenen häuslichen Umgebung. Und schon entspannt unser Hirn, die zu Hause mühsam zu erringende Konzentration kommt hier ganz von allein und, voilà, plötzlich fällt uns der perfekte Text ein – na ja, erstmal eher unperfekt, aber er wird schon.
Aber das kann doch nun nicht tatsächlich bedeuten, dass wir alle besser schreiben, wenn wir nicht in den eigenen vier Wänden sind. Wie schafft man es also, dass man die Atmosphäre, das Entspanntsein, das Nicht-an-anderes-Denken, auch zu Hause erreicht? Hierfür ist mir noch keine Theorie, geschweige denn eine Lösung eingefallen? Sobald es geschieht, bist du die Erste, die es erfährt, versprochen.
P.S. Eine provokante Frage zum Schluss: könnte hier auch eine Ursache liegen, warum es mehr erfolgreiche Autoren als Autorinnen gibt??? Nur mal so in den Raum geworfen…