Vom Himmel fallen keine Sterne
Erzählung, erschienen November 2021
Der Tag, an dem Sahra Hallmann ein Leben zerschlägt, ist ein Mittwoch.
Ein gewöhnlicher Tag.
Ein Tag ohne Stern.
***
Sie liebte dieses Märchen. Jeden Abend schlug ihr Vater vor, einmal ein anderes Märchen zu lesen. Aber Sahra wollte stets nur das eine hören. ›Das Mädchen mit den Sterntalern‹.
Also las ihr der Vater dieses Märchen immer wieder vor. Sahra merkte sofort, wenn er schluderte, wenn er ein Wort vergaß oder änderte. Sie zupfte ihren Vater dann an der Nase, lachte und rief: »Nicht schummeln, Papa.«
Dann drückte er ihr einen Kuss auf die Nase, lächelte und begann von vorne: »Es war einmal ein kleines Mädchen, deren Vater und Mutter gestorben waren. Die Eltern hatten ihr nichts hinterlassen und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, um darin zu wohnen und kein Bettchen mehr, um darin zu schlafen.« Am meisten liebte Sahra das Ende: »Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel.«
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