Mechtild Borrmann – Feldpost

Wie ihre anderen Bücher, die ich immer gerne gelesen habe, so ist auch dieser ein historischer Roman, für den Mechtild Borrmann diesmal in Tagebuch-Archiven recherchiert hat. Was sie dort fand und las, inspirierte sie zu diesem eindringlichen Roman.

Auf zwei Zeitebenen und aus mehreren Perspektiven erzählt sie die Geschichte zweier miteinander schicksalhaft verbundener Familien. Zu Beginn begegnen wir am Ende des Jahres 2000 der Anwältin Cara Russo, die in einem Café sitzt und einer fremden Frau erlaubt, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Doch plötzlich verschwindet die Frau, nachdem sie kryptische Bemerkungen über das Verschwinden einer Adele gemacht hatte. Zurück lässt sie eine Aktentasche.

Statt diese Tasche über ein Fundbüro oder ähnliches der Frau zurückzuerstatten, beginnt Cara zu recherchieren. Dies wäre auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an dem Roman habe, dass ich genau dies nämlich ziemlich unrealistisch finde. Aber sei es drum.

Cara folgt den Spuren der Liebesbriefe, die sich in der Aktentasche befanden und die aus den vierziger Jahren, aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammen. Sie führen die Anwältin zu einem Richard Martens, der offensichtlich der Absender der gefundenen Briefe war.

Auf der parallelen Erzählebene folgen wir den Ereignissen in der Vergangenheit, beginnend im Jahr 1935, als Adele und ihre Freundin Dietlind Martens fünfzehn Jahre alt sind. Adeles Bruder Albert ist zu diesem Zeitpunkt sechzehn und Richard, Dietlinds älterer Bruder, für den Adele schwärmt, siebzehn. Die Familie Martens, mit Ausnahme von Richard, ist regimetreu, Adeles Vater hingegen gerät immer wieder in Schwierigkeiten wegen seiner politischen Ansichten und Äußerungen.

Dies führt schließlich dazu, dass Adeles Eltern fliehen und Albert und Adele auf eigenen Füßen stehen müssen. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern der beiden Familien werden immer problematischer, aus allerdings ganz unterschiedlichen Gründen.

Im Heute findet Cara Russo schließlich in einem weiteren Fach des Aktenkoffers noch einen merkwürdigen Vertrag, dem allerdings Teile zu fehlen scheinen. Das Verhalten Richards trägt auch nicht dazu bei, dass Cara ihm und seinen Erzählungen aus der damaligen Zeit voll vertraut.

Nach und nach nimmt das Drama seinen Lauf, eingebettet in die historischen Zusammenhänge. So erwähnt Mechtild Borrmann den großen Angriff auf Kassel, wo die Handlung spielt, bei dem die Stadt fast völlig zerstört wurde.

Der Roman fesselt, entwickelt eine ganz eigentümliche, in den Bann ziehende Spannung, die dazu führte, dass ich das Buch binnen weniger Stunden verschlang. Man ahnt, dass es kein gutes Ende nehmen kann, wie die Autorin am Ende aber alles zum Abschluss bringt, das ist hochdramatisch und folgerichtig.

Wie immer, so ist auch diesmal der Stil Mechtild Borrmanns ein ganz eigener, fast reportagehafter. Sie erzählt stets mit einer gewissen Distanz zu ihren Figuren. Sie erzählt geradezu emotionslos, aber dabei nie empathielos. Dadurch bleiben die Figuren dann auch zur Leserin auf Distanz, trotz der Spannung im Plot weckten sie in mir keine hohe Sympathie, kein Mitgefühl, kein Mitleiden. Ein wenig wirkten sie auf mich wie Schauspieler, die ihre Rolle erst noch üben, den Text zwar beherrschen, sich aber noch in ihre Charaktere hineinspüren müssen. Einzig Adeles Vater hat etwas mehr Emotion, zeigt mehr Gefühle, lässt die Leserin um ihn und mit ihm fürchten.

Trotz der schon oft in ähnlicher Form gelesenen und gehörten Geschichte ein wirklich lesenswerter Roman.

Mechtild Borrmann – Feldpost
Droemer, November 2022
Gebundene Ausgabe, 297 Seiten,  23,00 €


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