Philosophische Betrachtungen unseres Planeten, von ganz weit weg
Dass dieses Buch den Booker-Preis erhielt und sicher weitere Preise erhalten wird verwundert nicht, denn es ist durchaus etwas Besonderes. Ein Raumschiff mit sechs Astronaut:innen umkreist die Erde und wir Leserinnen dürfen ihren dabei entstehenden Gedanken folgen.
Einmal um die Erde in 90 Minuten und das sechzehnmal binnen 24 Stunden – das ist die gesamte Handlung dieses Romans. Der eigentlich eher eine Art Essay ist, ein philosophischer Essay über die Erde und ihre Bewohner und was wir Menschen mit diesem uns geschenkten Planeten anstellen.
Die vier Astronauten und zwei Astronautinnen, aus verschiedenen Ländern von verschiedenen Kontinenten, haben die Aufgabe, diverse Versuche und Beobachtungen zu machen. Das betrifft Tierversuche, Untersuchungen zu Klimaveränderungen und auch Versuche an sich selbst, wie reagieren ihre Körper auf die Schwerelosigkeit und vieles mehr.
Doch ihnen bleibt auch sehr viel Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen, nachzudenken, aus den Fenstern zu blicken. Dabei haben sie einen unvergleichlichen Blick auf die Erde, können Länder und Kontinente, Meere, Inseln, Gebirge erkennen und Wetterphänomene. Vor allem einen gewaltigen Taifun beobachten sie, der wächst, sich ausbreitet und dem sie tatenlos zusehen müssen während seines Zerstörungswerks.
Ansonsten geschieht wenig in diesem Roman, es sind eben vor allem diese Gedanken, Erinnerungen an ihre jeweilige Kindheit, an ihre Familien, Überlegungen, wie es den Menschen, die sie lieben, gerade geht, die dieses Buch füllen.
Dabei gelingen der Autorin Hunderte Sätze, die man sich an die Wand pinnen möchte, ins Poesiealbum schreiben oder per Beamer an den Nachthimmel schreiben möchte: „Die Milchstraße ist die qualmende Schmauchspur einer in den seidenglänzenden Himmel geschossenen Ladung Schießpulver.“ (S. 8); „Aber es gibt keine neuen Gedanken. Nur alte, die in neue Momente hineingeboren werden – und in diesen Momenten lautet der Gedanke: Ohne die Erde sind wir alle erledigt.“ (S. 19); „Von der Raumstation ist die Menschheit ein Wesen, das sich nur bei Nacht blicken lässt. Die Menschheit ist das Licht der Städte und die beleuchteten Glühfäden der Straßen.“ (S. 26).
Doch dann wird es manchmal auch etwas viel, wird man diesen so eloquent formulierten, so blumigen und wortreichen Sätzen etwas müde, wünscht sich doch ein wenig Handlung, ein wenig Tempo in dieser Geschichte, die hier erzählt werden soll. Sind doch die Gedanken auch schon mal etwas weitschweifig und auch abschweifend, verlieren den Faden, sofern es den in diesem Buch überhaupt gibt.
So bietet das Buch viel, sehr viel zum Nachdenken, doch leider ist es eben auch an vielen Stellen langatmig, um nicht zu sagen langweilig. Damit dann doch ein eher typisches „preiswürdiges“ Buch. Das dennoch ganz sicher etwas Besonderes, Interessantes ist, das in Erinnerung bleibt, nachhallt.
Samantha Harvey – Umlaufbahnen
aus dem Englischen von Julia Wolf
dtv, November 2024
Gebundene Ausgabe, 223 Seiten, 22,00 €