Altersunterschied in der Liebe, metoo am Arbeitsplatz, Mobbing in der Frauengruppe
All diese Themen möchte dieser Roman abdecken, den Anika Decker in gewohnt witzig-unterhaltsamer Weise verfasst hat. Dennoch hat mich das neue Buch von ihr nicht so abgeholt wie der wirklich sehr berührende und doch humorvolle Roman „Wir von der anderen Seite“, den sie 2019 veröffentlichte.
Diesmal geht es um Nina, die kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht. Sie ist geschieden, ihr Mann hat eine neue Frau und mit dieser gerade Zwillinge bekommen, während ihre eigenen Kinder längst erwachsen sind. Es geht auch um Lena, Ninas jüngere Schwester, die stets dazugehören will und sich doch ausgeschlossen, die sich immer minderwertig fühlt. Lenas Ehemann Flori wiederum arbeitet für dieselbe Firma, zu der auch Ninas Arbeitsgeber gehört, eine Produktionsfirma.
Dort geht es vor allem um drastische sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, insbesondere von besonders übergriffigen Schauspielern, und es geht um den Umgang innerhalb der Organisation mit den Vorwürfen, die, wen wundert es, vor allem vertuscht werden sollen.
Und zusätzlich geht es auch noch um die Mutter von Nina und Lena, die in jungen Jahren eine untypische Mutter war, auch schon mal ihre Töchter für Wochen allein ließ, um mit ihrer Freundin im Campingbus zu reisen. Etwas, das vor allem Nina ihr bis heute nie verzieh.
Der Haupthandlungsstrang aber dreht sich um Ninas Verliebtheit in den 20 Jahre jüngeren David, der in einem Laden Sandwichs zubereitet. Natürlich hadert sie mit dem Altersunterschied, gibt auch sich selbst gegenüber lange ihre Gefühle für den jüngeren Mann nicht zu. Und natürlich stößt sie in ihrem Umfeld auf keinerlei Verständnis, abgesehen von ihrer Freundin und Arbeitskollegin Zeynep. So weit, so Klischee.
Leider aber bleibt alles ein wenig klischeehaft, dazu die in meinen Augen ein bisschen zu große Themenbreite, durch die der Roman einigermaßen überladen ist. So gut der Roman geschrieben ist, mit viel Wortwitz, mit Ironie und voller Verständnis für Nina und für die belästigten und damit allein gelassenen Frauen, so wenig überraschendes, so wenig neues bringt er auch. Das Hin und Her mit David, die späte Versöhnung mit der freiheitsliebenden Mutter, das Verhalten der Männer in der Firma von Nina, all das ist vorhersehbar.
Dabei ist das Ganze wie gesagt temporeich, voller Pointen, die Dialoge sind spritzig, dazwischen reichlich Stoff zum Nachdenken. Nicht alles wird auf die leichte, seichte Weise abgehandelt, die Autorin geht durchaus in die Tiefe, lässt ihre Protagonisten – in mehreren wechselnden Perspektiven – über all diese Fragen nachdenken. Dennoch hat mich die gesamte Geschichte nicht richtig fesseln können, fehlte es ihr an Spannung, an Dynamik.
Trotzdem durchaus empfehlenswert für Freund:innen leichter Unterhaltung mit Blick auf kontroverse Themen. Dabei wird der witzige und ungewöhnliche Titel sicher einiges zum Verkaufserfolg beitragen.
Anika Decker – Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
dtv, Januar 2025
Gebundene Ausgabe, 463 Seiten, 23,00 €
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