Anstrengende Geschichte um eine junge Frau mit Handicap
Eigentlich wäre dieses Buch ein Roman genau nach meinem Geschmack. Denn ich mag besondere Protagonist:innen, Figuren mit Ecken, Kanten und scharfem Profil und vor allem Charaktere, die Ausnahmen sind, die gerade wegen ihres Andersseins interessant sind.
Und Hope Nicely, die Hauptfigur in dieser Geschichte, ist ganz sicher besonders. Was sie nicht müde wird, immer wieder zu betonen. Wodurch die Lektüre aber leider sehr anstrengend wird.
Hope, die bei ihrer Adoptivmutter Jenny Nicely aufwächst, wurde schwer geschädigt, weil ihre leibliche Mutter während der Schwangerschaft weiter viel Alkohol trank. So erlitt Hope das sogenannte FAS, das fetale Alkoholsyndrom. Hope kann mit Veränderungen nicht gut umgehen, kann sich nicht allein versorgen, braucht Halt und Anleitung. Die bekommt sie von ihrer Adoptivmutter, von ihrer Sozialarbeiterin.
Nun besucht Hope eine Schreibwerkstatt, denn sie will ein Buch schreiben. Ein Buch über ihre eigene Geschichte. Dieses Buch ist bestimmt für ihre leibliche Mutter. Denn Hope wird vor allem von einer einzigen Frage umgetrieben: Warum hat ihre Mutter während der Schwangerschaft weiter Alkohol getrunken?
In der Schreibgruppe wird sie überwiegend wohlwollend aufgenommen, man geht rücksichtsvoll mit ihr um, auch wenn sie sich den „Normen“ nicht anpasst. Nur ein Teilnehmer fühlt sich dadurch gestört und hetzt permanent gegen sie – so viel Klischee muss sein.
Doch dann erkrankt Jenny schwer, Hope muss plötzlich allein klarkommen. Doch zum Glück finden sich in der Gruppe Menschen, die sich um sie kümmern. So kann ihr Buch wachsen und sie schließlich Antworten auf die eine wichtige, aber auch viele andere Fragen ihres Lebens finden. Dass dabei manch arg unrealistischer Zufall herangezogen wird, stört ein wenig. Da hätte ich mir vielleicht mehr Mühe, mehr Einfallsreichtum gewünscht.
So weit ist dieser Roman spannend, anrührend und auch fesselnd. Die Figuren, vornehmlich die Teilnehmer der Schreibwerkstatt, aber auch Ärzte und Schwestern im Krankenhaus oder andere, die sich um sie kümmern, sind lebendig und authentisch geschildert. Die Geschichte entwickelt sich stringent, Spannung entsteht und Emotionen werden angesprochen.
Doch leider ist die Erzählweise unglaublich anstrengend. Denn die Geschichte wird komplett aus Hopes Perspektive erzählt und das in Ich-Form. Das weckt zwar Bewunderung für die Autorin, die sich aufgrund eines eigenen medizinischen Vorfalls, wie sie im Nachwort erläutert, in gewissem Maß in Hope einfühlen konnte. Aber es führt dazu, dass der Stil eher einfach, um nicht zu sagen einfältig ist, sich ständig alles wiederholt, beginnend damit, dass Hope in jedem Satz wieder erklärt, wer Jenny Nicely ist. Sie analysiert ihr eigenes Verhalten, erklärt es immer wieder, verwendet immer wieder dieselben Formulierungen. Das wird bei dem Umfang des Romans auf die Dauer sehr anstrengend.
Man verliert immer wieder den eigentlichen Handlungsfaden, weil Hope vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, weil sie sich, ausgelöst durch bestimmte Situationen, an ähnliche in der Vergangenheit erinnert fühlt, von denen sie dann erzählt. Dabei ist sie durchaus liebenswert, aber das macht die Lektüre nicht angenehmer, einfacher. Sondern sehr wenig entspannend.
Was sehr schade ist, da sowohl Thema wie auch die Hauptfigur interessant sind.
Caroline Day – Mein Name ist Hope Nicely. Hope wie Hoffnung und Nicely wie nett.
aus dem Englischen von Katrin Mrugalla
Piper, April 2025
Klappenbroschur, 357 Seiten, 16,00 €