Terhi Kokkonen – Artic Mirage

⭐⭐⭐

Ein Roman, der die Leser in der Luft hängen lässt

Der erste Satz nimmt das Ende vorweg, was einerseits die Spannung unermesslich erhöht, andererseits fast schon zu viel verrät.

Ein Ehepaar, gut situiert, seit vielen Jahren verheiratet, hat auf der Rückfahrt vom Urlaub einen Autounfall, der sie zwingt, einige Tage in einem abgelegenen Hotel unterzukommen. Dieses Hotel mitten in Eis und Schnee wirkt fast ein wenig mystisch, so wie auch die Mitarbeiter und die Einwohner des nahegelegenen Ortes.

Karo und Risto führen nur scheinbar eine gute Ehe. Vieles läuft schief, nicht erst seit kurzem. Doch was genau zwischen ihnen geschehen ist und immer wieder geschieht, erschließt sich erst nach und nach. Karo ist überzeugt, dass ein weiterer Wagen in ihren Unfall verwickelt war, Risto leugnet das hartnäckig. Immer wieder verschwinden Sachen von Karo, woraufhin Risto ihr subtil zu versehen gibt, dass er sie für verrückt hält. Die verbale, psychische und physische Gewalt zwischen den Eheleuten eskaliert immer mehr.

Dazu liefert das Hotelpersonal die Kulisse. Der behandelnde Arzt, der mehr als nur medizinisches Interesse an Karo hat, die Rezeptionistin, die widerwillig die Tracht der Samen tragen muss, die Hotelchefin, die mit besagtem Arzt eine merkwürdige Beziehung zu pflegen scheint.

All diese Dinge erzählt die Autorin genauso kühl wie die Landschaft, wie das Wetter in ihrem Roman ist. Die Figuren, Protagonisten wie auch Nebenfiguren, bleiben auf seltsame Art auf Distanz, zeigen wenige Emotionen deutlich genug, um Empathie zu erzeugen. So vieles wird nur angedeutet, bleibt im Vagen, lässt Raum für Spekulation, für Vermutung und Verdächtigungen.

Der Stil, in dem Terhi Kokkonen erzählt, ist wuchtig, die Sprache klar, die Bilder scharf, ihre Bedeutung dagegen eher verwischt, vernebelt. In spotlight-artigen Rückblicken werden die vergangenen Narben, die Karo und Risto sich in ihrer Beziehung zugefügt haben, beleuchtet, wird ein wenig klarer, wie sie dorthin gelangen konnten, wo sie jetzt angekommen sind.

Der gesamte Roman liest sich nicht einfach so mal schnell herunter, manches zieht sich, manches langweilt sogar, anderes fasziniert, fesselt. Ein Roman, dem, so wirkt es, Anfang und Ende fehlen.

Keine einfache Geschichte.

Terhi Kokkonen – Artic Mirage
aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Hanser Berlin, Januar 2024
Gebundene Ausgabe, 189 Seiten, 23,00 €

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