Melissa Harrison – Weißdornzeit

Es geht in diesem Roman vor allem ruhig zu, betulich, beschaulich. Trotzdem entwickelt diese Geschichte eine gewisse Spannung, eine Art Faszination.

Mehrere Handlungsfäden laufen langsam aufeinander zu, erzählt aus den jeweiligen Perspektiven. Da sind zum einen Kitty und Howard, die ihren Lebensabend auf dem Land verbringen wollten und daher vor einiger Zeit aus London fort und in ein kleines Dorf gezogen sind. Kitty vor allem erfüllt sich damit einen Lebenstraum, sie findet im der Landschaft immer wieder Motive für ihre Malerei. Howard, dessen Hobby alte Radiogeräte sind, fühlt sich auf dem stillen Land nicht ganz so wohl, er vermisst das Getriebe der Großstadt.

Schon immer im Dorf gewohnt hat der junge Jamie, der nicht so recht weiß, wohin ihn sein Leben führen soll. Er arbeitet und spart vor allem für sein Auto, das er hegt und pflegt. Dabei ist er ein rechter Außenseiter, insbesondere, seit seine Kindheitsfreunde, die Nachbarskinder, fortgingen.

Und als letzten treibt es Jack in Richtung des Dorfs, ein Vagabund und Einzelgänger, der immer mal wieder wegen Landstreicherei ein paar Tage oder Wochen in Haft verbringen musste und der sich in der Natur, unter freiem Himmel am wohlsten fühlt.

Nach und nach treiben diese Menschen aufeinander zu, sehr langsam, sehr behutsam entwickelt sich der Roman, dessen Hauptfaszination in den Landschafts- und Naturbeschreibungen liegt. Hierin ist Melissa Harrison Meisterin, wie ich schon in ihrem Roman „Vom Ende eines Sommer“ erfahren durfte. Manchmal ist mir ihr neuer Roman aber dann etwas zu gemächlich, verliert sie sich in den Weiten der Wiesen und Wälder, zwischen den Dorfstraßen und den dortigen Menschen. Verliert sie, so kommt es mir vor, auch mal den Faden ihrer eigenen Handlung.

So braucht man für die Lektüre dieses ruhigen Buches vor allem Muße und Geduld. Dann kann man es genießen.

Melissa Harrison – Weißdornzeit
aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
DuMont, Juni 2022
Gebundene Ausgabe, 287 Seiten, 23,00 €


Schau auch hier: Melissa Harrison – Vom Ende eines Sommers

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