Dieter Aurass – Jeden 3. Tag

Sein historischer Kriminalroman „Rheinland-Bastard“ (Rezension hier) hatte mir ausnehmend gut gefallen, so dass ich sehr gespannt auf diesen neuen Roman von Dieter Aurass war. Und spannend ist er, keine Frage.

Koblenz wird von einem Serienmörder heimgesucht. Und eine Heimsuchung ist er tatsächlich, denn die Art und Weise, wie er seine Opfer zurichtet, sie schändet und regelrecht präsentiert, zeugt von einem sehr kranken Täter. Pünktlich an jedem dritten Tag wird in der Stadt eine weitere Leiche gefunden. Die Polizei steht vor einem Rätsel, denn es gibt nichts, was die Opfer verbindet. Sie stammen aus verschiedenen Generationen, unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und es handelt sich sowohl um Männer wie um Frauen.

Die „Gurkentruppe“ der Mordkommission – so genannt wegen der diversen Disziplinarstrafen, die über die Teammitglieder schon verhängt wurden und wegen ihrer sonstigen Auffälligkeiten – wird geleitet von Ulf Auer. Just an dem Tag, als das erste Opfer gefunden wird, stößt zu dem Team die junge Kommissarsanwärterin Coco Crott, deren abgebrochenes Psychologiestudium sich für die Ermittlungen noch als hilfreich erweisen wird. Sie ist nicht schüchtern und hält daher mit ihrer Meinung zu Täterprofil, Verdächtigen und Nachforschungsergebnissen nicht hinter dem Berg. Das kommt zwar bei den Kollegen nicht immer gut an, dem Chef Ulf Auer gefällt das aber ausnehmend gut, wie ihm auch die neue Mitarbeiterin überhaupt ziemlich gut gefällt.

Man sollte beim Lesen des Krimis die eigene Fantasie ein wenig an der Leine halten. Dieter Aurass beschreibt die Grausamkeiten des Mörders und die jeweiligen Auffindesituationen der Leichen so drastisch und bildhaft, dass man aufpassen muss, dass nicht die entsprechenden Bilder wirklich im Kopf entstehen. Dabei gelingt es ihm, geschickt die Spannung zu steigern bis hin zum furiosen Finale.

So weit, so gut. Der Handlungsaufbau ist gelungen, es gibt sowohl grausige wie auch humorvolle Szenen. Aber leider sagen mir weder die Figurengestaltung noch der Schreibstil des Romans zu. Im Bestreben, Klischees zu vermeiden, schießt der Autor bei dem Entwurf seiner Figuren über das Ziel hinaus und schafft gerade dadurch wiederum Klischees. Der Charakter des Mörders wirkt wie ein Abziehbild, der Vorgesetzte von Ulf Auer ist eine plumpe Witzfigur, die Beziehungen zwischen den Figuren sind merkwürdig steif. Die Erzählperspektive bleibt unklar, der Erzähler hüpft ziellos und oft unvermittelt von Kopf zu Kopf. Die Dialoge und die Gedankendarstellungen aber sind unnatürlich und teilweise absurd, so dass es wirklich störend ist. So wie Ulf Auer und andere Männer im Roman mit und über die neue junge Kollegin sprechen, so hat man vielleicht vor 50 Jahren gedacht oder geredet. Niemand jedoch nennt heute eine junge Frau „Mädchen“ oder spricht sie mit „Fräulein“ an, noch würde diese Frau sich das klaglos gefallen lassen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Art, wie insbesondere Auer mit ihr umgeht oder ans sie denkt, entspricht vielleicht einem 80-jährigen Greis, aber keinesfalls einem angeblich 42 Jahre alten, mitten im Leben stehenden Kriminalkommissar. Das passt – wie auch beispielsweise die realen oder die geträumten Bettszenen – zu der, so jedenfalls mein Eindruck, frauenverachtenden Grundhaltung des gesamten Romans.

Wirklich arg sind jedoch die aus der Perspektive des Täters in der Ich-Form geschriebenen Kapitel, die ich schlicht albern fand. In der ersten Person Singular zu erzählen hat immer etwas von einem Selbstgespräch, und niemand erzählt sich Dinge über sich selbst und die eigenen Handlungen, wie es diese Figur permanent tut. Hier wären die Verwendung der dritten Person und ein wenig mehr Düsternis vermutlich wirkungsvoller gewesen.

Es ist schade, dass der Schreibstil des Romans dessen Wirkung so beeinträchtigt, denn, wie oben erwähnt, an Plot, Handlungsaufbau und Spannungsbogen gibt es nichts zu kritisieren. Daher vielleicht eine geeignete Lektüre für Krimileser, die mehr Wert auf die Dramatik der Geschehnisse in einem Roman legen als auf den Schreibstil.

Dieter Aurass – Jeden 3. Tag
CW Niemeyer Verlag, Februar 2020
Taschenbuch, 390 Seiten, 14,00 €

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