Dieses Buch ist für mich so etwas wie die Bibel des Kreativen Schreibens.
Das amerikanische Original erschien im Jahr 1995. Sol Stein (1926-2019), Drehbuchautor, Dramaturg, Schriftsteller, Lektor, Verleger, Dozent für Kreatives Schreiben – er wusste, wovon er sprach. Sol Stein hat mit weltberühmten Autoren und Regisseuren, wie Thornton Wilder oder Elia Kazan, zusammengearbeitet. Und er kann die Materie so vermitteln, dass man das Buch wie einen spannenden Krimi nicht mehr aus der Hand legen mag, bis man die letzte Seite erreicht hat.
Er findet den richtigen Ton, uns zu sagen, wie wir schreiben müssen, um unsere Leser:innen zu begeistern, was wir unbedingt vermeiden müssen, wenn wir unsere Leser:innen nicht vergraulen wollen und er erläutert all das anhand von unzähligen Beispielen. Dabei geht er die Themen systematisch an, differenziert nach fiktionaler und nichtfiktionaler Literatur.
Einer der wichtigsten Sätze des Buches findet sich gleich am Anfang: „Was Sie dazu brauchen, ist Übung.“ Diese Übung ermöglicht die Lektüre dieses Buches.
Ihm ist vor allem auch wichtig, dass ein Schreibender immer den Leser, die Lust des Lesers im Blick hat: „Das Vergnügen des Autors und das Vergnügen des Lesers sind eng miteinander verknüpft. Der erfahrene Autor … bezieht aus seiner Arbeit einen zunehmenden Lustgewinn. Der Leser, in den Händen eines Autors, der sein Handwerk versteht, macht eine bereichernde Erfahrung“. (S. 18)
Sol Stein erfindet das Rad nicht neu, die Dinge, die er in seinem Buch darlegt, finden sich in vielen anderen Lehrbüchern zum Kreativen Schreiben. Aber er schildert diese Dinge so nachvollziehbar, so anschaulich, dass man beim Lesen so oft gerne sofort zum Stift greifen und schreiben möchte. Denn plötzlich klingt es so einfach, so offensichtlich, was man tun, wie man formulieren und worauf man achten muss, um einen wirklich richtig guten Roman zu verfassen. Und gleichzeitig wird schmerzhaft deutlich vor Augen geführt, wie schwer es ist, einen wirklich guten Roman zu verfassen. Was alles dazugehört, die Figuren, der Plot, die Dialoge, Emotionen, Sinne und so viel mehr.
All diesen Aspekten widmet sich der Autor und führt mit sanfter Hand, aber unmissverständlich die angehenden Autor:innen zu ihrem Ziel.
Sol Stein erklärt, wie man die richtige Perspektive wählt und auf was es dabei ankommt. Er zeigt, wie Spannung erzeugt wird und wie sie auf hohem Niveau gehalten werden kann. Man erfährt, wie ein authentischer, fesselnder Dialog aussehen soll, wie man geschickt Rückblenden einbaut, ohne den Handlungsfluss zu zerreißen. Und er schließt auch ein Kapitel zum Thema Überarbeitung an.
Der Autor hat später noch einen „Nachschlag“ zu diesem Buch herausgebracht, mit dem deutschen Titel: „Aufzucht und Pflege eines Romans“, welches ich nur im englischen Original kenne. Es handelt sich dabei nicht wirklich um eine Ergänzung zu dem vorliegenden Band, sondern eher um eine komprimiertere Zusammenfassung und eine Konzentration auf die wesentlichen Punkte. Uninteressant ist es deswegen aber nicht.
„Über das Schreiben“ – man kann es als Nachschlagewerk nutzen und bei Bedarf die gewünschten Informationen herausziehen und/oder man kann es von vorn bis hinten durchlesen, ohne sich eine Minute zu langweilen. Dieses Buch gehört in den Bücherschrank aller Schreibenden.
Sol Stein – Über das Schreiben
Autorenhausverlag, 2015/2020
Gebundene Ausgabe, 449 Seiten, 22,99 €
Ganz herzlichen Dank! Ja, Sol Stein ist wirklich einer der Top-Titel. Ich freue mich immer, wenn ich Ihre Rezensionen lese, sie sind substantiell und strukturiert, frisch und glaubwürdig. Wir zitieren gerne daraus. Bis dahin,
alles Gute und herzliche Grüße
Manfred Plinke