Lesenswerte Erzählungen der ukrainischen Schriftstellerin
Natascha Wodins bekanntestes Buch ist sicherlich „Sie kam aus Mariupol“. Gerade jetzt haben ihre Bücher zusätzlich an Bekanntheit gewonnen. Und das völlig zu Recht.
In diesem schmalen Band finden sich fünf Erzählungen, die wie Erzählungen aus ihrem eigenen Leben anmuten und es zum Teil durchaus auch sind. Die erste, titelgebende spannt einen Bogen vom Asowschen Meer bis hin zum Fluss in Bayern, der Regnitz. An diesem Meer wuchs ihre Mutter auf, in diesem Fluss nahm sie sich Jahre später das Leben. Die Erinnerungen, die mit dem Meer, dem Strand, der Kindheit verbunden sind, sind berührend, mal malerisch und anheimelnd, mal traurig und erschütternd. Die Verbindung zu heutigen Ereignissen an diesen Orten zieht die Autorin natürlich, was das Ganze umso erschütternder und geradezu greifbar macht. Haben wir doch alle die Bilder aus Mariupol vor Augen.
In einer weiteren Erzählung mit dem Titel „Nachbarinnen“ schildert Wodin, wie sie eine Nachbarin beobachtet, ihre zunehmende Verwahrlosung und deren Auswirkung auf die Umwelt und die Nachbarschaft.
Der Stil, in dem Natascha Wodin schreibt, ist nicht rührselig, nicht kitschig. Ihre Geschichten sind Beobachtungen ohne zu urteilen, sind sachlich, nicht emotional. Sie sind auch Beobachtungen des eigenen Lebens, des eigenen Handelns und Fühlens, analysieren dies in gewisser Weise. Die Geschichten sind nicht leicht zu lesen, man muss sich auf den Fluss der Sätze einlassen. Diese Sätze, die oft sehr lang, sehr verschlungen sind.
Mancher Text war mir zu schwermütig, zu schwer, um ein Lesegenuss zu sein. Sprachlich herausfordernd. Dennoch ist diese Sammlung unbedingt lesenswert.
Natascha Wodin – Der Fluss und das Meer
Rowohlt, Dezember 2023
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 22,00 €