Im Stil von Agatha Christie – eine Party voller Leichen
Wenn es keine Schneestürme gäbe, müssten Krimiautor:innen sie wohl erfinden. Damit ihre Geschichten um von der Außenwelt abgeschnittene einsame Häuser, in denen ein Mörder oder eine Mörderin ihr Unwesen treiben, auch funktionieren.
So nun also auch in diesem neuen Roman, der mit interessanten, wenn auch so gar nicht klischeefreien Figuren aufwartet, einem abgelegenen Herrenhaus voller verwinkelter Gänge und heimlicher Räume sowie einem nicht ungeschickten Plot und eben natürlich auch dem unvermeidlichen Schneesturm, der alle von allem abschneidet.
Hauptpersonen in diesem Stück sind Rosemary, genannt Mimi, 77-jährige Einwohnerin auf Mackinac Island sowie ihre Enkelin Addie, die, nachdem ihre Eltern bei einem Unfall starben, bei Mimi aufwuchs. Die beiden Damen hatten länger keinen so engen Kontakt mehr, aus diversen, der Leserin nicht ganz ersichtlichen Gründen. Dennoch bittet Mimi Addie um ihre Begleitung, als sie eine Einladung von Jane Ireland erhält.
Diese bislang bei Mimi ausgesprochen unbeliebte Nachbarin lädt zu einer Dinnerparty im Stil der Zwanziger Jahre. Damit Mimi auch wirklich kommt, enthält die Einladung eine gewisse Drohung: Wenn Mimi nicht kommt, würde ihr Geheimnis enthüllt.
Nun, da Mimi in der Tat ein schwerwiegendes Geheimnis hütet, beschließt sie, aber eben in Begleitung von Addie, die Party zu besuchen. Schon bald gibt es dort jedoch die erste Leiche, den besagten Schneesturm, einen üblichen Stromausfall und jeder ist natürlich verdächtig.
Schnell stellt sich heraus, dass offensichtlich nicht nur Mimi erpresst wurde. Somit haben alle Anwesenden ein Motiv, alle haben die Gelegenheit und die Möglichkeit zu morden. Es bleibt auch unweigerlich nicht bei einer Leiche.
Mimi und Addie beginnen zu ermitteln, insbesondere Addie hat einen Heidenspaß dabei. Addie nämlich ist erfolgreiche Entwicklerin von Computerspielen und setzt nun bei ihren Befragungen und Ermittlungen all ihre Fähigkeiten und ihre Spielerfahrungen ein.
Hier kommt für mich wieder das in diesem Krimis übliche Problem zutage. Wieso können die beiden unbeschadet unter allen Anwesenden ermitteln, können alle befragen und bekommen von allen auch noch die nötigen Antworten. Das ist das immer wiederkehrende Absurdum in diesen Plots, denn warum sollten die anderen auf die Fragen von solchen selbsternannten Ermittlerinnen antworten – und das auch noch ehrlich.
Nun sei es drum, anders würden diese Geschichten nicht funktionieren. In diesem Fall geschieht das Ganze noch recht unterhaltsam, temporeich, mit Witz und viel Ironie, mit spitzfindigen Personenbeschreibungen. Die Figuren, wiewohl teils wirklich wandelnde Klischees, machen aber gerade deswegen ziemlich viel Spaß, die Dialoge sind mal durchaus fesselnd, mal dann doch auch etwas dröge.
Nach etlichen Verwicklungen, vielen Geheimgängen und -räumen, noch mehr Schnee und einer vereisten Zugbrücke klärt sich natürlich alles auf. Diese Auflösung ist nicht unbedingt vorhersehbar, man könnte fast vermuten, die Autorin war am Ende selbst davon überrascht. Die Handlungsabläufe nämlich waren recht wirr, um nicht zu sagen verwirrend, so dass man sich wundern konnte, dass Mimi und Addie dabei den Überblick behielten. Wie von Agatha Christie abgeschaut, präsentieren die Beiden den Anwesenden am Ende den Täter unter Erwähnung vieler Informationen und Details, die man als Leserin vorher nicht erfuhr. Was dann doch ein wenig unbefriedigend ist.
Insgesamt eine unterhaltsame, nette Story mit Temperament und sympathischen Protagonistinnen, wenn auch das Spannungsniveau eher niedrig bleibt.
Kelly Mullen – Die Einladung: Mord nur für geladene Gäste
Originaltitel: This is not a Game
aus dem Englischen von Katharina Naumann
rororo, September 2025
Taschenbuch, 397 Seiten, 14,00 €