Ein Rätsel lösen, um Morde zu verhindern – halbwegs spannender Krimi aus England
Rätsel sind ja das A und O eines Kriminalromans, ist doch der Krimi an sich das Rätsel schlechthin. Von daher macht es Sinn, einen Krimi in Form eines Rätsel, in diesem Fall eines Puzzles aufzubauen.
Doch leider schafft es der Plot nicht, ausreichende Spannung zu erzeugen. Dafür wird zu viel mit der Vergangenheit gehadert, zu viel Selbstreflexion und zu viele Selbstvorwürfe der Protagonistin beschrieben.
Edie O’Sullivan ist eine alte und sehr erfahrene Rätselexpertin. Sie schreibt für renommierte Zeitungen die Kreuzworträtsel und ist dafür berühmt. Eines Tages findet sie vor ihrer Tür ein Päckchen mit einzelnen Puzzlestücken und einem merkwürdig drohenden Brief. Würde sie das Puzzle nicht rechtzeitig lösen, würden noch vor Weihnachten vier Menschen sterben.
Zeitgleich wird im Wald ein Lehrer beim Joggen überfallen und schwer verletzt, in seiner Hand ein zu den Edie zugeschickten Teilen passendes Puzzlestück. Edies Großneffe Sean, den sie wie einen Sohn aufzog, ist der leitende Ermittler bei der Polizei. Sie übergibt ihm die Puzzleteile und den Brief, jedoch nicht alle. Denn auf einem Teil ist etwas zu erkennen, was sie schwer erschüttert und ihr große Angst macht.
Gegen den Willen von Sean beginnt Edie natürlich selbst zu ermitteln, behauptet doch der erste und weitere folgende Briefe, dass das Ganze etwas mit ihr und ihrer Vergangenheit zu tun habe.
Das führt dazu, dass Edie viel über sich und ihre eigene Geschichte nachdenkt. Sie war Lehrerin und lange mit Sky liiert, die sie aber verließ, da Edie anders als Sky keine Kinder wollte. Darunter leidet Edie, obwohl das Jahrzehnte her ist, hat sie sogar das Zimmer in ihrem Haus, in welchem sie zuletzt mit Sky stritt, seither nicht mehr betreten.
Edie ist eine ganz spezielle Type, sie nimmt kein Blatt vor den Mund und stößt damit immer ihre Mitmenschen vor den Kopf. Einzige Freundin ist ihre noch ältere Nachbarin Riga, die ihr auch als einzige hin und wieder mal die Wahrheit sagt. Sean hingegen, Edies Großneffe, ist ein sehr weichherziger, gutmütiger Mann, der immer zu allen freundlich sein und eben niemanden vor den Kopf stoßen will. Er und sein Ehemann Liam hoffen gerade auf eine Adoption.
All das sind Nebenhandlungsstränge, die vom eigenen Krimi-Plot ablenken. Zwar werden geschickt falsche Fährten gelegt, auch durch immer wieder eingeschobene Szenen aus Sicht des Täters/der Täterin. In denen es der Autorin, wie schon in ihrem vorigen, wirklich ungemein spannenden Roman, gelingt, alles so zu formulieren, dass man niemals erkennt, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Dazu kommen unendlich viele Rückblicke, in denen Edie über ihre Vergangenheit grübelt, in denen sie Sky nachtrauert.
Am Ende geht dann wieder einmal alles ganz schnell. Die Auflösung war zwar einerseits schlüssig, andererseits ziemlich weit hergeholt und wurde ungenügend durch zu wenig Hinweise im Verlauf des Romans vorbereitet.
Die Figuren Edie und Riga sind sehr präzise gezeichnet. Alle anderen wirken dagegen eher blass, manche leiden auch daran, dass sie eher ein Klischee sind. Insgesamt konnte mich dieser Krimi zwar unterhalten, auch ein wenig fesseln, aber längst nicht so mitreißen, so überzeugen wie das im vergangenen Jahr erschienene Buch der Autorin. Der darin eingeführten Ermittlerin wäre ich gerne wiederbegegnet. So bleibt die Hoffnung auf weitere Romane von Alexandra Benedict, die vielleicht wieder das Niveau des „Christmas-Express“ erreichen.
Alexandra Benedict – Das mörderische Christmas Puzzle
aus dem Englischen von Elisabeth Schmalen
Tropen, September 2024
Klappenbroschur, 349 Seiten, 17,00 €
Schau auch hier: Alexandra Benedict – Mord im Christmas Express