Vera Buck – Das Baumhaus

⭐⭐⭐⭐

Ein etwas überkonstruierter Thriller mit zu vielen Handlungsebenen

Der Roman um nicht nur ein verschwundenes Kind in den schwedischen Wäldern hat durchaus ein hohes Spannungspotential, das allerdings wenig subtil, dafür umso mehr mühsam konstruiert wirkt. Dazu gibt es zu viele Erzählebenen und -stränge, die verwirren und ablenken.

Die Ehe von Henrik und Nora ist nicht mehr die allerbeste, als sie beschließen, nach Nordschweden zu reisen, in das von Hendriks Familie ererbte Holzhaus, mitten im Wald. Ihr fünfjähriger Sohn Fynn genießt die Zeit mit beiden Eltern, ist doch vor allem Nora sonst stark in ihren Beruf eingebunden. Henrik ist Schriftsteller und, was ihm nicht nur Nora immer wieder zum Vorwurf macht, mit einer großen Fantasie begabt.

Diese führt dazu, dass Nora ihm nicht immer alles glaubt, was er erzählt. So erging es ihm schon als Kind, als sein Vater ihm nie glaubte, Henrik daher besonders an seinem Großvater hing. In der Erinnerung, die immer wieder aufblitzt, hatte Henrik ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern.

Schon bei der Ankunft im Haus scheint es so, als habe es etwas zu verbergen. Als wäre jemand darin gewesen, als gäbe es Geheimnisse. Als Fynn schließlich verschwindet und Henrik von einem Baumhaus erzählt, dass er im Wald entdeckt haben will, glaubt ihm Nora nicht. Stattdessen macht sie ihn für Fynns Verschwinden verantwortlich, war er doch mit ihm zusammen gewesen, während sie einkaufen war.

Diese Geschehnisse werden abwechselnd aus den Perspektiven von Nora und Henrik erzählt. So erfahren wir auch, dass Nora von einem Stalker bedroht wird, den sie nun der Entführung Fynns beschuldigt.

Ein weitere Erzählperspektive ist Rosa. Sie ist forensische Forscherin, untersucht die Auswirkung von toten Lebewesen auf das Wachstum von Bäumen. Bei ihren Untersuchungen im Wald findet sie das Skelett eines Kindes und wird dann aufgrund ihrer Kenntnisse von der Polizei um Mithilfe gebeten bei der Suche nach Fynn. Rosa ist gegen ihren Willen nach Hause gekommen, um ihren Bruder, der seit einem Unfall gelähmt ist, zu pflegen, zusammen mit ihrem Vater. Dieser hält gar nichts von ihrem Beruf und so kämpft sie nicht nur mit ihren eigenen Dämonen, sondern auch gegen die Missachtung und die Erinnerungen an ihre von Qualen und Demütigungen geprägte Kindheit.

Und schließlich gibt es eine weitere Perspektive. Das ist Marla, von der man am Anfang nicht weiß, wer sie ist, wann ihre Geschichte sich zuträgt und wie das mit den anderen Geschehnissen zusammenhängt. Dies klärt sich erst sehr spät und ziemlich überraschend auf.

Überhaupt ist das Ende, so wie schon die gesamte Geschichte, sehr konstruiert, die Aufklärung der Zusammenhänge und die Hintergründe müssen erzählt werden, statt dass sie sich, wie es besser gewesen wäre, im Laufe der Handlung ergeben. Ähnliches gilt für die gesamte Handlung, vieles wird zu sehr auserzählt, viele Spannungsmomente sind zu deutlich auf eben diese hin geschaffen, zu mühsam herbeigeführt, wirken nicht aus der Handlung, aus den Figuren entstanden. Von den Charakteren berühren nur Rosa und Marla, die Figuren von Nora und Henrik wirken zu schablonenhaft, sie agieren zu vorhersehbar, zu sehr, wie man es in einem Thriller erwarten würde. Sie erwecken kein Mitgefühl, kein Mitfiebern, außer eben, zumindest ansatzweise, die Figuren von Rosa, wegen ihrer  vergangenen Erfahrungen vor allem, und Marla, insbesondere zu Beginn ihrer Geschichte.

Alles in allem ein seriöser, thrillerartiger Roman, der aber, verglichen beispielsweise mit dem letztjährigen uneingeschränkten Highlight einer anderen deutschen Autorin, „Acht Wölfe“ von Ulla Scheler, seine Mängel hat.

Vera Buck – Das Baumhaus
Rowohlt Polaris, Mai 2024
Klappenbroschur, 396 Seiten,17,00 €

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