Ewald Frie – Ein Hof und elf Geschwister

Zu Recht mit dem Sachbuchpreis ausgezeichnet – ein Buch über den Wandel in bäuerlichen Familien

Ewald Frie, Professor für Neuere Geschichte, ist als neuntes von zwölf Kindern auf einem Bauernhof im Münsterland aufgewachsen. Vom Leben dort und wie es sich über die Jahrzehnte gewandelt hat, wie sich das in seiner Familie widerspiegelt, davon erzählt er in diesem Buch, das in diesem Jahr den Deutschen Sachbuchpreis erhalten hat.

Sein ältester Bruder wurde 1944 geboren, seine jüngste Schwester 1969. Diese lange Zeitspanne schlägt sich deutlich nieder in der ganz unterschiedlichen Wahrnehmung der Kindheit. Wurden die älteren Kinder noch ganz in die Arbeit auf dem Hof eingebunden, eine Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit, wuchsen die jüngeren ohne diese Belastungen auf.

Der Autor trennt in seinem Buch nach den Jahren des Vaters und den Jahren der Mutter. Der Vater stammte aus einer alteingesessenen Bauernfamilie, war mit dem Hof und dem Leben dort verwachsen. Für ihn waren die Rinderzucht und die klaren Strukturen wichtig. Die Distanz zu den Dörflern, viele davon Kriegsflüchtlinge, war enorm, die Bauernfamilien lebten wie in einer eigenen Welt. Auch die Kinder hatten kaum Kontakt zu Kindern im Dorf.

Das änderte sich erst Jahre später, in den Jahren der Mutter. Sie war es vor allem, die die Töchter unterstützte und förderte, was zu Zeiten der älteren Geschwister ganz ungewöhnlich war. Die Söhne gehörten auf den Hof, aufs Feld und in den Stall, die Töchter in die Küche, die Scheune und den Garten.

Ewald Frie hat seine Geschwister interviewt, ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Durch den großen Altersunterschied unterscheiden sich diese Erinnerungen oft enorm. Litten die späteren Kinder unter der Arbeit auf dem Hof, war es für die Älteren selbstverständlich und wurde nicht hinterfragt.

In seinem Buch schildert der Autor auch im Detail die Dinge, die das Leben auch außerhalb von Tierzucht und Ackerbau beeinflussten, wie der Glaube, die Bildung, der Zusammenhalt in der Familie. Mag auch manchmal ein wenig viel Statistik in den Kapiteln auftauchen, so ist das Buch insgesamt hochinteressant und geradezu spannend. Dieser sehr persönliche Blick auf das Leben auf einem Hof lässt eine Welt entstehen, die es heute so nicht mehr gibt.

Sehr empfehlenswert.

Ewald Frie – Ein Hof und elf Geschwister
C.H. Beck, Mai 2023
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 23,00 €

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