Emily Winston – Der Mordclub von Shaftesbury: Eine Tote bleibt selten allein

Selten habe ich einen so in die Irre leitenden Titel erlebt wie hier. Weder gibt es in diesem Roman  einen Mordclub noch jagt eine Leiche die andere. Das bedeutet aber nicht, dass die erzählte Geschichte nicht unterhält, im Gegenteil.

Die sich mit einem englischen Pseudonym schmückende deutsche Autorin schreibt flüssig, temporeich und amüsant mit sympathischen Figuren. Wie eine Mischung aus Rosamunde Pilcher und Inspector Barnaby, wenn auch ohne jegliche kriminalistische Ermittlungen, stellt sich der humorvolle Roman dar. Vor allem die Schaffung der passenden Stimmung, die Beschreibungen des typisch englischen Dorfes und seiner Bewohner gelingt Emily Winston.

Dieses Dorf mit Namen Shaftesbury wird der neue Wirkungsort von Penelope St. James, einer – zumindest in männlichen Augen – sehr gutaussehenden Mitarbeiterin einer Partnervermittlungsagentur. Ihr Ziel ist es, in dieser ländlichen Gegend eine Filiale zu eröffnen, sehr zur Verwunderung der Dorfbevölkerung, was auch unmittelbar zu ins Uferlose gehenden Vermutungen führt.

Doch statt Menschen zu Paaren zusammenzuführen, wird Penelope in andere Aktivitäten hineingezogen. Energisch, wie sie ist, ergreift sie immer wieder die Initiative. Sei es, bei der Suche nach Gesellschaft für einen einsamen alten Herrn, bei der Planung einer außergewöhnlichen Autorenlesung auf dem örtlichen Schloss oder bei der Entdeckung des geheimnisvollen morgendlichen Besuchers in ihrem Garten. Dazu kommt dann noch ihre Einmischung in einen tödlichen Unfall mit Fahrerflucht, der sich als Mord herausstellt.

Auch ihrem liebenswerten und  liebenswürdigen Nachbarn, dem Tierarzt Sam, begegnet sie mit Offenheit, Humor und Einsatz, trotz ihrer heftigen Abneigung gegen Tiere aller Art.

Die Autorin erschafft ganz herrliche, so wunderbar typisch englische Figuren, mit den erwarteten und deswegen so passenden Macken und Marotten. Dabei bleibt sie stets freundlich zu den Charakteren, alle werden mit Liebe und Verständnis gezeichnet, ohne sich über sie lustig zu machen. Sehr gut gefallen hat mir auch ihre Darstellung Lillys, der kleinen Tochter des Tierarztes. Hier umschifft sie geschickt jeden Kitsch, jede Plattitüde und jedes Klischee, dieses kleine Mädchen möchte man gerne treffen, so witzig und altklug und so charmant, wie sie ist.

Aber leider gibt es auch große Mängel im Roman: Die Handlung hat viele Lücken, viele Logikfehler, die im Untertitel angekündigten Leichen fehlen und auch die Auflösung am Ende ist zu plötzlich, zu schnell und, bei aller Erwartbarkeit nicht schlüssig geschildert. Das stört und irritiert zwar, tut dem Lesespaß aber nur bedingt Abbruch. So dass ich mir tatsächlich eine Fortsetzung wünsche, auch wegen des einen oder anderen lose hängengelassenen Handlungsfadens.

Emily Winston – Der Mordclub von Shaftesbury: Eine Tote bleibt selten allein
Aufbau Verlag, Dezember 2022
Taschenbuch, 319 Seiten,  14,00 €

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