Anja Wedershoven – Niederrheinische Glut

Es ist ganz sicher eine Frage der Vorlieben, des Geschmacks, ob man das, was mich an diesem Roman so sehr gestört hat – wie übrigens auch schon beim Vorgängerband – mag oder nicht. Doch abgesehen von dem Zuviel, das mich diesmal in der Tat genervt hat, war es außerdem auch noch ziemlich unrealistisch.

Zum Inhalt: Es ist ein sehr heißer Sommer am Niederrhein, als die Beamten der Kripo Krefeld wegen der Entführung eines auf den Rollstuhl angewiesenen alten Mannes ermitteln müssen. Bei der Rückkehr von der Dialyse wird Josef Bredenscheid mitsamt dem Krankentransportfahrzeug entführt. Ein junger Essensauslieferer, der Sozialstunden ableisten muss, findet den bewusstlos geschlagenen Fahrer des Krankenwagens.

Schnell stellt sich heraus, dass Bredenscheid keinesfalls ein liebenswerter Opa ist, sondern vielmehr ein überzeugter Nazi, der es sich mit jedem, inklusive seiner Tochter und ihrer Familie, verdirbt. So gibt es naturgemäß viele Verdächtige, nicht zuletzt Justin, der Essensausfahrer, der sich jeder polizeilichen Befragung entzieht.

Es sind wieder die aus dem Vorgängerband bereits bekannten Axel Holtz und Johanna Brenner, die die Ermittlung vor allem führen, natürlich unterstützt von vielen anderen Beamten. Dabei leiden alle unter der großen Hitze, Johanna fängt sich einen üblen Sonnenbrand ein und Axel hat Herzprobleme.

Und da sind wir auch schon bei dem in meinen Augen ganz großen Manko des Krimis: er beschäftigt sich viel zu viel mit den Befindlichkeiten der beiden Kommissare. Ständig denkt beispielsweise Johanna über ihre Beziehung zur Rechtsmedizinerin Sylvia nach, mitten in den Befragungen, beim Ermitteln, während Besprechungen, beim Autofahren, ständig. Alles, was geschieht, bezieht sie auf sich, auch wenn diese Bezüge wirklich an den Haaren herbeigezogen scheinen. Und auch Axel denkt stets über sich nach, über seinen verstorbenen Vater, seine Gesundheit und seine Sorgen um seine schwangere Tochter. Das ist mir absolut zu viel. Und zu unrealistisch, denn bei allem Verständnis für private Probleme, welcher arbeitende Mensch denkt den ganzen Tag und permanent über sich selbst nach, statt sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Zumal die genannten Probleme recht aufgebauscht und dabei doch alltäglich erscheinen.

All das lenkt viel zu sehr vom Fall ab, um den es doch in einem Kriminalroman gehen soll. Wieder wird aus den Perspektiven der beiden Ermittler erzählt. Dazu dann noch verfolgen wir die Geschehnisse mit Justin, dem Jugendlichen, der leider dann doch ein wandelndes Klischee ist, denn stark überzeichnet ist diese Figur. Er stammt natürlich aus zerrütteten Verhältnissen und natürlich geht das, was er plant, am Ende schief. Dabei muss ich aber ganz besonders lobend erwähnen, dass es der Autorin wunderbar gelingt, seine Sprache darzustellen. Auch wenn das dann schon wieder ein Klischee ist, ihn und seine Freunde so sprechen zu lassen, wirkt es dennoch authentisch.

Bei all dem gerät der Entführungsfall fast zur Nebensache, zumal das Motiv jedenfalls sehr schnell, eigentlich schon auf den ersten Seiten, klar wird. Wer der Entführer am Ende ist, erschließt sich nicht so schnell, ist aber irgendwie dann auch Nebensache. Dabei hat sich die Autorin ein nicht unwichtiges und interessantes Thema gesucht.

Ein etwas überfrachteter Krimi, der mehr über die Ermittler erzählt als über den Fall. Schade.

Anja Wedershoven – Niederrheinische Glut
emons, August 2022
Taschenbuch, 271 Seiten, 14,00 €


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