Marcel Huwyler – Frau Morgenstern und die Verschwörung

Was für ein spannender, was für ein exzellent geschriebener Roman! Und was für eine abgefahrene Story.

Der Schweizer Autor hat in diesem bereits dritten Band um die Auftragsmörderin Violetta Morgenstern alle Register gezogen, die einen Krimi mit Tiefgang auszeichnen. Die Figuren sind plastisch, sympathisch, lebendig und dabei so realistisch. Die Geschichte zwar völlig irrsinnig, aber vermutlich (leider) nicht völlig unmöglich. Die Szenen unglaublich dynamisch, ohne falsche Action, mit reichlich Cliffhangern und mit etlichen Nebenhandlungssträngen, die aber mindestens so fesselnd und spannend sind wie der Hauptplot. Und diese Sprache, diese herrliche, so punktgenau treffende Wortmalerei, die ihresgleichen sucht.

Ich weiß nicht, ob solche Formulierungen wie „sie hühnerte herum“ oder „er hirnte“ oder gar „er schlückelte“ typische schweizerische Worte oder Teil des sehr speziellen Wortschatzes von Marcel Huwyler sind, ich weiß nur, dass man beim Lesen solcher Sätze sofort das Bild vor Augen hat, sofort drin ist in der Szene.

Worum geht es? Violetta Morgenstern, pensionierte Grundschullehrerin und aktive Auftragskillerin der Regierungsorganisation TELL, soll zusammen mit ihrem Kollegen, dem ehemaligen Söldner Miguel Schlunegger, einen Kurienkardinal aus dem Vatikan töten. Doch bevor die beiden ihren Auftrag ausführen können, kommt ihnen jemand anderes zuvor. Statt nun also selbst zum Mörder geworden zu sein, begeben Violetta und Miguel sich auf Mördersuche. Die Abgründe, die sie dabei aufdecken, sind schon erstaunlich und zeugen von einer abgründigen Fantasie des Autors.

Parallel steht auch Miguel vor tiefen Schluchten seines Lebens, die es zu überbrücken gilt. Immer wieder findet er neue Steinchen, aus denen er seine Familiengeschichte zusammensetzen muss. Auch diese Nebenhandlung ist hochspannend, sehr emotional und wunderbar beschrieben.

All die Menschen, mit denen die beiden Protagonisten zu tun haben, sind mit sehr präziser Feder gezeichnet. Es gibt keine Abziehbilder, keine schablonenhaften Figuren. Jede, auch die nur gelegentlich auftretende Nebenfigur, ist sorgfältig ausgearbeitet und mit Hintergrundgeschichte ausgestattet, mit Eigenheiten, Macken und Marotten. Dabei gelingt dem Autor eine perfekte Ausgewogenheit zwischen der Haupthandlung um den aktuellen Fall und dem Privatleben der beiden Hauptfiguren. So sind zum Beispiel die Szenen, in welchen Violetta ihre demente Mutter besucht, herzerwärmend, mit Muße und Ruhe geschrieben und stehen im perfekten Gegensatz zu der hochaktiven Ermittlungsarbeit.

Und dann die Szene, in der sich Violetta als Nervennahrung einen prallen, fetttriefenden Döner gönnt: „Zu spüren, wie links und rechts die Sauce herausquoll, von den Mundwinkeln tropfte, an Nasenspitze und Kinn klebte und Finger, Handrücken, ja gar die Handgelenke vollschlabberte. Was für eine tierisch herrliche Erregung, wenn man den Mund viel zu voll nahm, mit streifenhörnchendicken Backen mampfte und … „ (S. 98). Wie und wo sie diese Nahrungsorgie erlebt, muss man gelesen haben.

Ich kannte Marcel Huwyler bislang noch nicht. Eines ist sicher: er hat einen neuen, glühenden Fan für seine Romane gewonnen. Ich bedaure nur eines: dass ich die Vorgängerromane um Violetta Morgenstern noch nicht gelesen habe.

Marcel Huwyler – Frau Morgenstern und die Verschwörung
Grafit, September 2021
Taschenbuch, 302 Seiten, 13,00 €

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