Rob Perry – Der Große Gary

⭐⭐⭐⭐⭐

Anrührende Story um die Rettung eines Hundes 

Dieser berührende und nachdenklich machende Roman enthält eigentlich genau das, was ich an solchen Geschichten besonders mag: ungewöhnliche Figuren mit Ecken und Kanten, ein Plot voller unverhoffter Wendungen und ein liebenswertes Tier im Mittelpunkt.

Dennoch hat mich das Buch ein wenig zwiegespalten zurückgelassen. Zum einen treten ganz außergewöhnliche Charaktere auf, Figuren, die Tiefe und ein scharfes Profil haben. Es gibt eine Haupthandlung voller interessanter Verwicklungen und dramatischer Spannung. Und es geht vor allem um Mitmenschlichkeit, Verständnis, Geduld, Freundschaft und Vertrauen. Dafür vergebe ich gerne und aus Überzeugung fünf Sterne.

Doch es dauerte recht lange, bis ich mit dem Personal und der Geschichte wirklich warm wurde. Zu viel wurde erklärt, zu viel wurde drumherum geredet, bis die Handlung Fahrt aufnahm, bis die Figuren Profil gewannen, bis man einen roten Faden ergreifen konnte.

Der Roman, das Debüt des britischen Autors, erzählt von Benjamin, einem 18-jährigen Jungen, der mit seiner Großmutter in einem Mobilheim lebt. Die Oma allerdings ist im Krankenhaus und er damit ganz auf sich allein gestellt. Was besonders deswegen mit Problemen verbunden ist, weil Benjamin an einer ganzen Reihe von Phobien leidet. Allem voran hat er Angst vor Krankheiten, vor Ansteckung, davor, sich zu beschmutzen. Was gerade extrem belastend für ihn ist, denn ein Virus geht um.

Eines Tages begegnet Benjamin ein Windhund, der ihm nach Hause folgt, bei ihm bleibt. Der Hund fasst großes Zutrauen zu dem Jungen, der ihn tatsächlich bei sich aufnimmt, trotz des Schmutzes und der für Benjamin unappetitlichen Nebenerscheinungen. Dann allerdings erscheint ein Unbekannter, der sich als Leonard vorstellt und Benjamin erklärt, dass der Hund Gary heiße und ein sehr berühmter Hund sei, der bei Hunderennen eingesetzt wird. Gary werde vermisst und der Junge müsse ihn zurückgeben, sonst drohe ihm Ärger.

Ärger gibt es dann tatsächlich und zwar reichlich, denn Benjamin beginnt den Hund zu lieben, er findet in ihm einen Freund, etwas, das er bisher noch nicht kannte. Der Junge erkennt in dem Tier eine Freundlichkeit, die er selbst von Menschen bislang kaum erlebt. Eine Ausnahme ist Camille, seine Vorgesetzte im Supermarkt, wo Benjamin arbeitet. Sie ist so etwas wie seine gute Seele, seine Beschützerin. Und wird später noch sehr wichtig im weiteren Verlauf der Handlung.

Denn es wird geradezu dramatisch, als die Besitzer des Hundes auftauchen und Gary zurückholen. Daraufhin wächst Benjamin geradezu über sich hinaus, mal mehr mal weniger hilfreich begleitet von Leonard und Camille.

So wird die Geschichte gegen Ende durchaus spannend, sogar actionreich. Dennoch blieb mir ein gewisses Gefühl des Unverständnisses zurück. Denn es gab doch die eine oder andere Logiklücke, das eine oder andere Plothole, es blieb manches unerklärt. Auch dauerte es, bis man Zugang zu den Figuren, auch zu Benjamin, bekam, bis die Handlung wirklich ergriff, berührte, bis man hineinfand. Dazu fehlten bei den Figuren die Hintergrundgeschichten, über Camille beispielsweise erfuhr man so gut wie nichts, auch nicht über Leonards eigentliche Geschichte, über Benjamins Vergangenheit, das blieb alles unerwähnt. Was schade ist, da wäre noch Potential gewesen.

Insgesamt aber ist das Ganze eine sehr gefühlvolle Story, eine ungewöhnliche Geschichte mit einem außergewöhnlichen Protagonisten, die trotz mancher Lücke vollauf empfehlenswert ist.

Rob Perry – Der Große Gary
Originaltitel: DOG
aus dem Englischen von Hanna Große
DuMont, August 2025
Gebundene Ausgabe, 298 Seiten, 24,00 €