Enttäuschendes Prequel zur Reihe um die isländische Kommissarin
Einen mauen Krimi als Thriller zu bezeichnen, der weder das eine oder das andere ist, ist schon nahe an Täuschung. Dieses Buch, so interessant es sein mag als Ergänzung der Reihe, ist viel weniger Krimi als Psychostudie einer unzufriedenen Frau.
Schon in den Vorgängerbänden, die entgegengesetzt zum Erscheinungsrhythmus achronologisch die Geschichte der Hulda Hermannsdottir erzählen, waren die Kriminalfälle eher Nebensache, waren mehr Rahmenhandlung als Hauptplot. Immer ging es mehr um Hulda, ihre inneren und äußeren Probleme. Mal stand dabei ihre Beziehung zu den Kollegen und ihrem Vorgesetzten im Mittelpunkt, mal das Verhältnis zu ihrem Mann und dem, was mit ihrer Tochter geschah.
Nun also erschien das letzte Buch der Reihe, in welchem man Hulda als junge Frau trifft. Ihre Tochter Dimma ist erst sechs Jahre alt, ihr Mann Jon ständig abwesend, körperlich wie auch geistig. Das Ganze spielt im Jahr 1980, Frauen bei der Polizei sind damals auch in Island noch die Ausnahme. Hulda hofft auf Beförderung, zumal sie sich mit ihrem aktuellen Vorgesetzten gut versteht. Da bekommt sie die Chance, einen 20 Jahre alte Fall aufzuklären.
Damals verschwand ein Baby aus einem Wohnhaus, der kleine Junge wurde nie gefunden. Nun tauchte weit entfernt im Norden des Landes der Teddybär des Kindes auf und Hulda wird dorthin geschickt, um zu recherchieren. Begleitet wird sie dabei, eher gegen ihren Willen, von der neuen Kollegin Alfrun, der Hulda unterstellt, ebenfalls Karriere machen zu wollen und somit mehr Konkurrenz als Hilfe zu sein.
In der sehr abgelegenen Gegend, wo der Teddy gefunden wurde, treffen die beiden Frauen auf wenige Menschen, die dort leben und nicht alle kommen gut miteinander aus. Hulda entwickelt dazu unwillkommene Gefühle für den Sohn der Familie, in deren Haus sie und Alfrun unterkommen. Dadurch hinterfragt sie immer wieder ihre Ehe mit Jon und ihre weiteres Leben.
Aufgrund all dessen gerät wie gesagt der Kriminalfall komplett in den Hintergrund, seiten- und kapitelweise dreht es sich nur um Hulda und ihre Gefühle. Die noch dazu recht oberflächlich und in einer eher simplen Sprache beschrieben werden (ob das im Original so war oder eher an der Übersetzung liegt, kann ich nicht beurteilen). Die Dialoge sind hölzern, die Charaktere schablonenhaft, die Zeichnung von Wetter und Gegend ein Klischee. Denn natürlich gibt es auch noch einen Schneesturm, so dass man vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten ist. Spannung entsteht trotzdem so gut wie keine, auch wenn es schließlich noch eine Leiche gibt, während Huldas Aufenthalt dort.
Insgesamt also hat mich der Roman enttäuscht. Seit dem ersten erschienenen Band lässt, so empfinde ich es, die Qualität der Geschichte um Hulda stark nach. Dazu kommt, dass man die Andeutungen hinsichtlich der Ereignisse um Jon und Dimma, die in diesem Buch hier gemacht werden, überhaupt nur versteht, wenn man die anderen Bände vorher gelesen hat.
Ragnar Jonasson – Hulda
aus dem Isländischen von Anika Wolff
btb, Mai 2025
Klappenbroschur, 271 Seiten, 17,00 €
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