Wenn Bruder und Ex gemeinsame Sache machen, muss Frau sich wehren
Ohne zu wissen, wer sich hinter dem Pseudonym Meike Paulsen verbirgt, wollte ich dieses Buch lesen, denn Titel und Klappentext versprachen gute Unterhaltung. Als ich dann herausfand, dass Jutta Profijt die Autorin ist, eine Schriftstellerin, deren ganz großer Fan ich bin, hoffte ich auf Witz, Spannung und fesselnde Handlung.
Gefesselt hat mich der Roman dann auch tatsächlich, er bot genau die richtige Unterhaltung für einen entspannten Sonntagnachmittag im Liegestuhl. Das lag aber weniger an der Handlung als an dem gewohnt flüssigen und leichtfüßigen Schreibstil der Autorin. Sie ist ja vor allem durch ihre „Kühlfach“-Romane bekannt geworden, sie kann aber auch hochspannend und dramatisch, wie sie mit ihrem Roman „Fremd“ bewies, ein absolutes Highlight.
Dieses neue Buch nun ist dagegen ein ziemliches Leichtgewicht, um nicht zu sagen Seicht-Gewicht. Dazu kamen die mir völlig unlogisch erscheinende Handlung, enorm viele Klischees und immer wieder das Gefühl eines erhobenen Zeigefingers.
Es beginnt damit, dass die titelgebende Henriette, allein auf dem ererbten elterlichen Bauernhof lebende und überzeugte Naturfreundin, dahinterkommt, dass ihr jüngerer Bruder Ove, seines Zeichens Bürgermeister der fiktiven Gemeinde Wieversum, die Stadtkasse um Geld betrogen hat. Sie zwingt ihn, das zu bereinigen, will ihn aber nicht anzeigen. Dann findet sie jedoch heraus, dass Ove außerdem einen hohen Kredit aufgenommen und dafür seine Hälfte des Bauernhofs, den sie bewohnt, verpfändet hat. Kreditgeber ist ausgerechnet Sparkassenleiter Sönke, Henriettes Ex-Freund, den sie seinerzeit mühsam loswurde und aus dem Haus verbannte.
Um den drohenden Verlust des Hauses beziehungsweise den Wiedereinzug von Sönke zu verhindern, muss also Geld her, und zwar der immense Betrag von 80.000 €. Doch statt dass Henriette nun ihren Bruder dafür haftbar macht, dafür sorgt, dass er das Geld beschafft, schweigt sie zu seinen Taten, verspricht, ihn niemandem zu verraten. Stattdessen lässt sie sich von der Dorfgemeinschaft helfen, einer Gruppe von Frauen, die immer wieder, ohne nachzufragen, Menschen aus finanziellen Klemmen helfen. Einen so hohen Betrag allerdings musste die Gruppe noch nie aufbringen.
Das sorgt für Hektik, das braucht Einfallsreichtum und das bedeutet viel Arbeit, all das unter Zeitdruck, denn der Kredit läuft bald ab. Zum Glück finden sich auch bei Henriette noch Dinge, die sich zu Geld machen lassen, was genau, das sei hier nicht verraten. Nur so viel, dass Hühner dabei eine ziemlich große Rolle spielen.
Bei all dem kommen dann auch noch diverse Gefühle hinzu, Männer, die versuchen, Henriettes Kopf zu verdrehen, bis natürlich am Ende alles gut wird.
Wie erwähnt, wird diese Geschichte locker-flockig erzählt, viel Tiefgang findet man nicht. Dafür aber viel, arg penetrantes Hochloben von Natur, Dorf, Idylle und Schweigen und dagegen ständiges Verdammen von Stadt, Lärm, Touristen, Menschen und so weiter. Henriette nämlich, die eigentlich ganz sympathisch rüberkommt, ist andererseits ziemlich selbstgerecht, so empfinde ich sie. Die ganze Zeit hat sie stets Recht, ihre Lebensweise ist die beste, das Dorfleben ist das Beste, ihre sehr fest eingefahrenen Rituale und Gewohnheiten – sie ist irgendwas Anfang 50, genau wird das nie genannt- sind die besten. So geht es durch das ganze Buch, das auf die Dauer doch recht stört. Dazu kommen die immer wiederkehrenden, doch recht aggressiv wirkenden Gedanken Henriettes über Männer im Allgemeinen und deren übliche Gewohnheit, sich von Frauen bedienen zu lassen. Hier drängt sich ein ganz klein wenig der Verdacht auf, als hätte die Autorin da ihren eigenen Zorn oder Frust von der Seele geschrieben, sind doch diese Passagen weniger leicht, weniger humorig als der Rest vom Text.
Die anderen Figuren, vor allem Ove und Sönke, sind wandelnde Klischees, in ihrer Beschreibung und in ihrer Handlung. Dem gegenüber Henriettes alter Freund Hanno, der Held in schimmernder Rüstung, absolut fehlerfrei, schweigsam, tüchtig, immer da, wenn er gebraucht wird. Mit dem sie fast ausschließlich mittels Heben und Senken von Augenbrauen kommuniziert.
Nun ja, insgesamt hat mir der Roman schon gefallen, das Ganze war unterhaltsam, aber eben auch mit einigen Mängeln, insbesondere der in meinen Augen völlig unlogischen Weise, in der Henriette mit dem Betrug ihres Bruders umgeht. Aber vielleicht ist das Geschmackssache.
Meike Paulsen – Henriette räumt auf
Ullstein, August 2025
Taschenbuch, 347 Seiten, 2,99 €