Freya Sampson – Ms Darling und ihre Nachbarn

⭐⭐⭐⭐⭐

Warmherzige Geschichte über die Schwierigkeit, denen zu helfen, die sich nicht helfen lassen wollen

Wieder hat diese wunderbare Autorin einen herzerwärmenden Roman verfasst, voller liebenswerter Gestalten, die alle ihr Päckchen zu tragen haben und sich schwer tun, Hilfe anzunehmen.

Im Mittelpunkt steht die titelgebende Ms Dorothy Darling – auf dem Ms besteht sie ostentativ. Sie ist inzwischen weit über 70, lebt seit vielen Jahren allein in ihrer Erdgeschosswohnung in einem etwas in die Jahre gekommenen, einst sehr herrschaftlichen Mietshaus. In der Wohnung ihr gegenüber wohnt der etwa gleichaltrige Joseph, der eine neue Untermieterin aufnimmt. Diese, die sich Kat nennt, zieht sofort den Unwillen Dorothys auf sich, einfach nur, weil Kat pinkfarbene Haare und einen zerfransten Rucksack hat.

Dorothy ist grundsätzlich nicht wohlgesinnt gegenüber ihren Nachbarn, kontrolliert alles und jeden. So geht sie täglich eine Runde durchs Haus, prüft die Türen, schaut nach der korrekten Müllentsorgung und kämpft einen ebenfalls täglichen Kampf gegen den jungen Mann in der Wohnung über ihr, der stets und ständig viel zu laute Musik hört.

Weitere Bewohner sind Omar und Ayesha Siddiq, ein verwitweter Vater und seine Teenagertochter, sowie im obersten Stockwerk Gloria, die zum Leidwesen Dorothys zahlreich wechselnde Männerbekanntschaften hat und Tomasz, ein Berg von einem Mann, der meistens schweigt.

Nun erhalten alle Mieter Post vom Vermieter mit einer Kündigung, da das Haus abgerissen werden soll. Nach vielem Hin und Her und etlichen Streitigkeiten einigen sich alle dann doch, gemeinsam gegen den Abriss des Hauses und gegen ihre Kündigungen zu protestieren. Der Vermieter ist ein dubioser Bauunternehmer, der für seine brutalen Methoden stadtbekannt ist. Hilfe erhält die Hausgemeinschaft von dem jungen Journalisten Will, der sich irgendwann nicht mehr nur für die Story, sondern auch sehr für Kat interessiert.

Für zusätzliche Aufregung sorgt ein Überfalls auf Joseph, der in seiner eigenen Wohnung niedergeschlagen wird, wofür Dorothy sofort einen der anderen Hausbewohner verdächtigt. Doch all diese Ereignisse sorgen auch dafür, dass man sich schließlich – wie nicht anders zu erwarten – näher kommt. So erfährt Dorothy irgendwann, was Kat für eine Vergangenheit mit sich herumschleppt und auch Dorothy öffnet sich am Ende und man versteht, warum sie ist wie sie ist.

Das Ganze wird, wie immer bei dieser Autorin, sehr einfühlsam erzählt, dabei immer mit einer ordentlichen Prise Humor, der jedoch nie ins Alberne oder Seichte abgleitet. Die Dialoge sind lebendig, lebensnah und oft spritzig, vor allem, wenn Dorothy mal wieder eine ihrer Breitseiten abfeuert. Die Figuren sind profiliert, fast alle sehr liebenswert, wenn auch nicht ganz klischeefrei, wie beispielsweise der gemeine Baulöwe, der schlicht ein wandelndes Klischee ist. Was aber überhaupt nicht stört.

Dass alle Bewohner des Hauses ihre Päckchen zu tragen haben, ist logisch. Allerdings bleiben fast alle eher blass im Vergleich mit Kat und Dorothy, aus deren Perspektiven wechselweise die ganze Geschichte erzählt wird. Die Hintergründe und Probleme von Tomasz, Gloria und dem Störenfried in der Wohnung über Dorothys werden nur angerissen und vor allem Will, der Journalist mit dem Faible für Kat bleibt eher diffus, über ihn erfährt man zu wenig.

Davon abgesehen ist die Lektüre dieser warmherzigen Geschichte eine reine Freude und weckt schon jetzt Vorfreude auf das hoffentlich bald erscheinende nächste Buch von Freya Sampson.

Freya Sampson – Ms Darling und ihre Nachbarn
aus dem Englischen von Claudia Voit
DuMont, April 2025
Klappenbroschur, 366 Seiten, 18,00 €


Schau auch hier: Freya Sampson – Menschen, die wir noch nicht kennen und weitere

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert