Die Geschichte geht weiter, aber nicht richtig voran
Der erste Band dieser Trilogie über die Menschen auf der abgelegenen Insel Tuga hat mir große Freude bereitet, ich konnte ganz hineintauchen, bekam das Gefühl, Teil der Gemeinschaft zu sein. Die Figuren waren lebendig, liebenswert, voller Marotten, aber auch voller Mitgefühl, Zusammenhalt und Optimismus.
Der Folgeband, der nun erschienen ist, führt dieselben Figuren zusammen, immer noch finden wir auch Charlotte Walker, die Tierärztin wider Willen, dort. Sie war im ersten Band für Forschungen zu Goldmünzenschildkröten nach Tuga gekommen. So jedenfalls der offizielle Anlass. Insgeheim hatte sie nach ihrem Vater gesucht, den sie nie kennengelernt und um den ihre Mutter Lucinda immer eine Geheimnis gemacht hatte.
Das hatte sich im ersten Teil der Geschichte geklärt, die Freude über den gefundenen Vater hielt sich aber in Grenzen. Dennoch war Charlotte auf Tuga geblieben, glücklich verliebt in Levi. Nun aber naht der Schrecken in Gestalt ihrer Mutter, die Mittel und Wege findet, nach Tuga zu kommen, sogar in der Island-closed Zeit (wenn wegen Stürmen keine Schiffe die Insel erreichen können). Die Ankunft der kapriziösen Engländerin sorgt für viel Aufregung, nicht nur für Charlotte.
Viele einzelne kleinere und größere Begebenheiten wühlen die Gemeinschaft auf, Eifersucht, neue und alte Lieben, gefährliche Krankheiten, Unfälle und familiäre Zwistigkeiten sorgen dafür, dass das Leben auf Tuga turbulent bleibt. Die Beschreibungen dieses Lebens sind es, die bei der Lektüre zusätzliche Spannung erzeugen, wenn wegen Mangels mit Behelfsmitteln operiert oder Wunden versorgt werden müssen, wenn Lucinda mit dem Auto über die Insel brettert, was LVA (=Leute von außerhalb) strengstens verboten ist oder wenn die kleine Annie ihrer Mutter nicht verzeiht, dass ihr bester Freund nach England in die Schule geschickt wurde.
Diese sehr emotionalen Geschichten machen den Charme der Romane um Tuga aus. Dieser zweite Band jedoch kommt nicht an die Qualität des ersten heran. Es wirkt wie ein Zwischenspiel, ein Innehalten aller Beteiligten, als würden sie auf das große Finale warten. Dieses wird dann sicher im dritten Band folgen, auf den ich schon sehr gespannt bin.
Denn trotz der kleinen Mängel, der nicht wirklich groß voranschreitenden Rahmenhandlung, las sich auch dieser Band mit Freude, Spannung und Humor. Wobei es, wie erwähnt, vor allem die Figuren sind, die den Roman tragen, die Dialoge, das Beziehungsgeflecht. Eine besondere Romanreihe, die erfreulich aus der Romanvielfalt herausragt.
Francesca Segal – Entscheidungen auf Tuga
Originaltitel: Island Calling
aus dem Englischen von Verena Kilchling
Kein & Aber, Juli 2025
Gebundene Ausgabe, 415 Seiten, 25,00 €
Schau auch hier: Francesca Segal – Willkommen auf Tuga