Etwas überzogene coming-home-Geschichte um eine Karrierefrau und einen Dorfladen
Hinter dem Pseudonym Anne Hertz verbergen sich die beiden Schwestern Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz, jede für sich eine ebenfalls sehr erfolgreiche Schriftstellerin, deren Romane ich gerne lese.
Mit diesem neuen Buch legen sie nun die Story einer jungen Frau vor, deren Vater an Demenz erkrankt. Da ihre jüngere Schwester, die sonst den Vater versorgt, auf einer längeren Urlaubsreise in Kanada weilt, muss Saskia aus Hamburg ins Wendland, um sich dort um den Vater zu kümmern. Zum Glück hat die gewiefte und erfolgreiche Unternehmensberaterin eine treue Assistentin, so dass sie auch von dem Dorf, wo sie aufgewachsen ist, aus ihre Geschäfte abwickeln kann, wenn auch mehr schlecht als recht – was nicht nur an dem so gut wie nicht vorhandenen Handynetz und Internet liegt.
Saskia ist dem Dorf längst entwachsen, knüpft aber recht schnell wieder alte Kontakte, wie zu ihrem Jugendfreund Alex, der sie damals, als sie eine gemeinsame Interrail-Reise planten, einfach am Bahnhof stehen ließ. Spätestens hier weiß man, wie das weitergehen wird.
Alex, ein Mann zu schön um wahr zu sein, hilfsbereit, selbstlos, immer gut gelaunt, stets um Saskia und ihren Vater besorgt, wofür er auch immer Zeit hat, obwohl er doch ein eigenes Café betreibt. Er sowie Saskias Vater treiben gerade ein Projekt voran, wollen sie doch im Dorf einen Dorfladen auf Basis einer Genossenschaft gründen. Das erste Objekt, welches dafür vorgesehen war, scheint nicht zu klappen, so kommt Saskia gerade recht, denn als gestandene Businessfrau kann sie natürlich alle Probleme lösen.
Dabei schafft sie sich selbst welche, denn so ganz klappt das dann doch nicht mit dem Arbeiten ohne Netz, und ihr Hamburger Freund schießt auch noch quer und sorgt für Unruhe und Zoff.
Somit ist der Roman leider ungemein vorhersehbar, auch alle auftretenden Verwicklungen kann man vorausahnen ebenso wie deren Auflösung. Dazu zwischendurch, immer nur dann, wenn es für die Handlung, sprich die Beziehung zwischen Saskia und Alex wichtig ist, hat ihr Vater mal wieder einen seiner seltenen Demenzanfälle.
Doch nicht nur die Oberflächlichkeit der Geschichte hat mich gestört, auch wurde ich mit der Protagonistin überhaupt nicht warm. Sie war mir zu kalt, zu rational, zu sehr von sich überzeugt, alles wusste, konnte sie – vielleicht abgesehen vom Umgang mit einem kranken Vater, also genau das, wofür Empathie notwendig wäre. Eine wirkliche Entwicklung der Figur konnte man nicht erkennen, auch wenn sie – natürlich – am Ende Beruf und Wohnort wechselt.
Daneben waren auch die Dialoge der Figuren oft etwas hölzern, die meisten Figuren blieben blass, waren mehr Statisten und stellten häufig ein typisches Klischee dar.
Dass es um die Frage geht, wo zuhause ist, wie der Klappentext suggeriert, konnte ich im Roman auch nicht wirklich erkennen. Eher drehte es sich darum, wie man Erfüllung findet und ob Arbeit und Karriere wirklich das Wichtigste sind.
Fazit: Ein netter Unterhaltungsroman, ohne rechte Spannung und Tiefgang und leider auch ohne den richtigen Pep. Dessen Titel im Übrigen herzlich wenig Sinn macht und keinen Bezug zum Inhalt hat.
Anne Hertz – Ein Morgen mit dir
HarperCollins, Juni 2025
Taschenbuch, 304 Seiten, 13,00 €