
16 mehr oder weniger kriminelle Kurzgeschichten aus Island, voller Schnee, Kälte und reichlich krimineller Überraschungen
Diese hier versammelten Geschichten sind ganz anders als die Romane, die ich bisher von Ragnar Jónasson gelesen habe. Seine Thriller um die Ermittlerin Hulda sind düster, depressiv, langatmig, manchmal sogar langweilig und beschäftigen sich mehr mit der isländischen Seele und Landschaft als mit den jeweiligen Kriminalfällen.
Diese weihnachtlichen Kurzkrimis, die, wie der angehängte Veröffentlichungsnachweis informiert, aus den letzten Jahrzehnten stammen, unterhalten, sind spannend, überraschend und manche enden mit einer wirklich gelungenen Pointe.
Einige der Geschichten allerdings sind eher philosophisch, ähneln mehr Betrachtungen als Krimis. Alle Geschichten spielen in der Weihnachtszeit, allen Geschichten gemeinsam ist die Betonung von Kälte, Einsamkeit, von isländischen Bräuchen und von besonderen Individuen.
Manche Geschichten erinnern an große Vorbilder, wie der Text mit dem Titel „Die Truhe“, in welchem ein paar Freunde den großen Hitchcock-Film „Cocktail für eine Leiche“ nachspielen wollen. Dass das nicht gut ausgehen kann, weiß man.
Da ist die Geschichte „Das Weihnachtsrätsel“, welches eine alte Dame einem jungen Mitarbeiter einer Buchhandlung zur Lösung vorlegt, angeblich benötige sie dazu seine Hilfe. Das Ende ist auch hier durchaus gelungen, auch wenn m.E. gerade diese Geschichte einen ziemlichen Logikfehler enthielt.
Besonders gefallen hat mir „Keine Panik“, diese Geschichte hat es echt in sich. Sie ist hochdramatisch, wirklich spannend und das Ende, die Pointe, ist so unvorhersehbar, so erschreckend, dass man fast gemeinsam mit der Protagonistin laut schreien möchte.
Nicht alle Geschichten konnten mich derart überzeugen, manche schleppten sich eher dahin. Manche waren nur sehr wenige Absätze lang, wieder andere dagegen zogen sich über etliche Seiten. Was aber in allen Geschichten gelingt, ist die bereits erwähnte Beschreibung der Umstände während dieser Jahreszeit in Island. Man meint die Kälte, das Eingeschlossensein, die Einsamkeit und die Drohung zu spüren, die von dem um diese Zeit üblichen Wetter allein schon ausgeht.
Eine nicht durchweg überzeugende Sammlung an kriminellen Weihnachtsgeschichten, dennoch als Lektüre für alle, die sanften Grusel mögen, zu empfehlen.
Ragnar Jonasson – Weich fällt der Schnee
übersetzt von Andreas Jäger und Anika Wolff
btb, Oktober 2025
Gebundene Ausgabe, 188 Seiten, 20,00 €
Schau auch hier: Ragnar Jónasson – Hulda und weitere