Henriette Krohn – Pinguine fliegen nur im Wasser

⭐⭐⭐⭐⭐

Gegensätze ziehen sich an – Wohlfühlroman um zwei grundverschiedene Charaktere

Ein Roman so recht nach meinem Herzen, geht es doch vor allem um die Figuren, darum, sich zu finden, nicht aufzugeben, wo nötig neu zu beginnen. Das gilt ganz besonders für Vincent, aus dessen Perspektive die Autorin ihre Geschichte erzählt.

Er wird eines Tages, völlig unvorhersehbar, von seiner Vorgesetzten (und Geliebten) auf die Straße gesetzt, noch dazu unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Vincent ist ein Mann, der Ordnung liebt, sich stets an die eigenen Regeln hält, der Pläne und Sicherheit braucht. So stürzen ihn die Entlassung und die unwahren Vorwürfe, die im Raum stehen, in absolute Verwirrung, zumal mit dem Rauswurf auch der Verlust seiner luxuriösen Wohnung verbunden ist.

Da lernt er die redselige und unkomplizierte Taxifahrerin Greta kennen, die ihm nach einigem Hin und Her anbietet, vorerst bei ihr zu wohnen. Greta nämlich bewohnt derzeit eine ältere, geerbte Villa, die sie renovieren und besonders aufhübschen möchte, um sie verkaufen zu können. Als Gegenleistung für das Logis soll Vincent bei der Renovierung helfen.

Nach anfänglichem Zögern stellt Vincent fest, dass ihm diese Aufgabe ganz viel Spaß bereitet. Zumal auch das Zusammenleben mit Greta mitunter sehr spaßig, oft aber auch durchaus anstrengend ist. Denn Greta sammelt Menschen wie andere Briefmarken, stets möchte sie helfen. So gehen in ihrer Villa unter anderem Boje, ein junger Mann, der sich offensichtlich auf Gretas Kosten über Wasser hält, und Kurt, ein schweigsamer, aber handwerklich ungemein begabter Sorgenfall, ein und aus. Dazu schließlich noch die „Gräfin“, Gretas betagte Nachbarin, deren Sohn Philipp und andere, sowie, nicht zu vergessen, Schildkröte Charlotte.

Wie Henriette Krohn schildert, was sich in Gretas Haus zuträgt, wie sie die Charaktere darstellt und vor allem die herrlichen Dialoge, die sie schreibt, das ist gelungen, das macht große Freude beim Lesen. Eingeschoben in die aktuelle Handlung sind immer wieder Rückblicke auf Gretas Kindheit und Jugend, ihr Studium und ihr Verhältnis zu ihren Eltern. Diese Rückblenden sind im Gegensatz zur eigentlichen Handlung sehr düster, traurig und passen so gar nicht zu der munteren Greta der Gegenwart. Hier fehlten mir so ein wenig die Zünder, die Anlässe und Auslöser, die aus dem traurigen Kind, dem stillen jungen Mädchen diese muntere, hilfsbereite und optimistische Frau werden ließen.

Auch Vincent entwickelt sich im Laufe der Handlung, vor allem entdeckt er seine Freude und seine Begabung für das Herrichten eines Hauses. Es klären sich natürlich mit der Zeit auch alle Missverständnisse und falschen Anschuldigungen, soviel darf verraten werden.

Das Ganze ist leichtfüßig erzählt, ohne seicht zu werden. Zwar wird nicht jedes Klischee, nicht jeder Kitsch vermieden, darüber geht man aber gerne hinweg bei der sehr unterhaltsamen Geschichte, die Henriette Krohn erzählt. Dabei sind es vor allem die Figuren, die das Ganze tragen und die ihr ausnehmend gut gelungen sind.

Uneingeschränkte Empfehlung für diesen Wohlfühlroman

Henriette Krohn – Pinguine fliegen nur im Wasser
Knaur, Juli 2025
Taschenbuch, 367 Seiten, 13,99 €