Bernd Imgrund – Unter Nachbarn

⭐⭐⭐⭐

Interessante Betrachtungen einer unfreiwilligen Beziehung

Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, man wird mit ihnen zusammengeführt, ob man will oder nicht. Egal ob man in der Stadt in einem Mehrfamilienhaus, in einem Kiez mit langer Geschichte oder auf dem Land in einem überschaubaren und gewachsenen Dorf lebt, Nachbarn hat man und man muss mit ihnen leben.

Diesem Thema widmet sich Bernd Imgrund, fleißiger Autor diverser Romane und Sachbücher. Er betrachtet die Nachbarschaft von verschiedenen Blickwinkeln, mal mit hohem Ernst und durchaus kritisch, mal mit leicht ironischer Note.

Unter zusammenfassenden Überschriften teilt er seine Betrachtungen. Mal geht es um den historischen Zusammenhang, um frühe Nachbarschaften in Höhlen oder im Mittelalter, einer Zeit, in der der Nachbar noch eine ganz andere Bedeutung hatte als heute. Dann geht es um den Unterschied zwischen Städtern und Dörflern, um die vermeintliche Idylle auf der einen und den angeblich gefährlichen Dschungel auf der anderen Seite.

Imgrund beschäftigt sich dann mit der Frage, was das Leben in einem Kiez, einem Viertel oder „Hood“ bedeutet für den Zusammenhalt gerade unter den Jungen, den oft abgehängten.

Aber es geht auch um Vorurteile, um Grenzen – Stichwort „Maschendrahtzaun“ – und um solch große Fragen wie Wer sind unsere Nachbarn im All, wie funktioniert Nachbarschaft in der Tierwelt oder unter Blumen und Pflanzen.

Einige seiner oft kurzen Texte, die unter den verschiedenen Überschriften zusammengefasst sind, fragen danach, was „gute“ Nachbarschaft ausmacht, ob heutzutage Internet oder Alexa & Co. die Nachbarn ersetzen können, sie behandeln die Frage nach der Art der Kommunikation zwischen Nachbarn und vieles mehr.

All das ist sehr flott zu lesen, nie langweilig, oft humorvoll und  auch mal sehr berührend oder erschreckend. Immer wieder zieht der Autor Beispiele aus der Literatur oder der Musik- und Filmwelt heran, was mir manchmal etwas zu oft geschah, so als wolle er vermeiden, „echten“ Nachbarn zu nahe zu treten. Unter den zitierten Filmen natürlich so Klassiker wie „Das Fenster zum Hof“ sowie selbstredend das bekannte Lied von Udo Jürgens über das „Ehrenwerte Haus“. Aber Imgrund zitiert auch aus Werken des Mittelalters oder voriger Jahrhunderte, aus Gedichten oder aus Rap-Songs, die das Leben in Problemvierteln thematisieren.

Insgesamt ist das schmale Buch sehr interessant, in manchem mag man sich selbst oder die eigenen Nachbarn wiedererkennen, nicht immer ist man mit den Schlüssen, die der Autor zieht, gänzlich einverstanden, doch die Lektüre ist sowohl unterhaltsam wie auch informativ, behandelt das Buch schließlich ein Thema, das uns alle mehr oder weniger betrifft. Ein besonderes Lob verdient das witzige und sehr passende Cover.

Bernd Imgrund – Unter Nachbarn
Hirzel Verlag, März 2025
Gebundene Ausgabe, 175 Seiten, 22,00 €

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