Anja Jonuleit – Kaiserwald

⭐⭐

Familiengeschichte ohne Tempo und Spannung

So gefesselt und begeistert ich von Anja Jonuleits Roman „Das letzte Bild“ war, so enttäuscht bin ich von diesem neuen Buch. Es beginnt dröge und wird auch nach 100 oder 150 Seiten nicht spannender oder interessanter.

In zu vielen Erzählperspektiven, in zu vielen Erzählzeiten und in viel zu kleinen Schritten erzählt die Autorin die Geschichten von mehreren Frauen. Da ist einmal Penelope, deren Mutter Rebecca 1997 spurlos verschwand, als sie noch ein kleines Kind war. Da ist jene Rebecca, die die Ereignisse dieser Zeit erzählt. Da ist Xenia, eine Schülerin Rebeccas seinerzeit in Riga. Und da ist Mathilda im Jahr 2023, die plötzlich in das Leben eines sehr reichen Mannes eindringt.

Worum es eigentlich geht in diesem Roman, was uns die Autorin wirklich erzählt, das wird auch nach mehr als 130 Seiten noch nicht klar. Immer wieder wird hin und her geblendet, verfolgen wir einmal die Geschehnisse zu der Zeit, als Penelope acht Jahre alt ist und bei ihren Großeltern unterkommt, nachdem ihre Mutter verschwand. Dann wieder ist diese Penelope offensichtlich erwachsen und spricht mit einem „Du“, dem oder der sie diese Ereignisse berichtet. Ähnlich, wenn wir das Geschehen von Xenia oder Rebecca erzählt bekommen, ergeht sich der Roman in dubiosen Andeutungen, noch mehr, wenn wir Mathilda dabei folgen, wie sie Falk von Prokhoff sozusagen erobert. Nie wird klar gezeigt, worum es geht, die Handlungsstränge schreiten in Trippelschritten voran, oftmals werden einzelne Tage in minutiösem Ablauf beschrieben, ohne dass sich irgendetwas nennenswertes ereignet.

Die Zusammenhänge, warum wer nun als Erzählperspektive auftritt, wer der „Du“ ist, mit dem Penelope kommuniziert, wer einen immer wieder erwähnten anonymen Brief geschrieben oder bekommen hat, all das bleibt viel zu lange im Dunklen, ohne dass es eine Spannung erzeugt. Das einzige Gefühl, das aufkommt, ist Langeweile.

Die Charaktere sind holzschnittartig, nicht wirklich voller Leben, einerseits überzeichnet und andererseits zu wenig Empathie weckend, zu flach und blass.

Dazu kommt ein diesmal leider auch enttäuschender Stil voller Wiederholungen, wenn beispielsweise in drei aufeinanderfolgenden Sätzen dreimal genau das Gleiche mit fast den gleichen Worten gesagt wird. Da drängt sich die Frage nach der Qualität des Lektorats auf.

Auf diesen Band soll im Sommer ein weiterer folgen, daher erklärt sich wohl die so kaum voranschreitende Handlung. Diesen zweiten Band werde ich wohl eher nicht mehr lesen, nachdem dieser erste so enttäuscht hat.

Anja Jonuleit – Kaiserwald
Penguin, Februar 2024
Klappenbroschur, 397 Seiten, 18,00 €


Schau auch hier: Anja Jonuleit – Das letzte Bild

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