Andreas Izquierdo – Kein guter Mann

⭐⭐⭐⭐⭐

Ein Mann namens Walter spielt den Weihnachtsgott – liebenswert, lesenswert

Ein wenig erinnert dieser neue Roman von Andreas Izquierdo, der wie immer ein Garant für gute und fesselnde Geschichten ist, an das berühmte Buch „Ein Mann namens Ove“ von Frederik Beckmann. Und doch ist er anders, ist Walter nicht Ove. Walter, der sich einem kleinen Jungen gegenüber als Gott ausgibt.

Und das kommt so: Walter ist Briefträger. Der seit vielen Jahren jeden Tag die gleiche Runde zu gehen hat und so seine „Kunden“ sehr gut kennt, die netten und die weniger netten. Walter ist sehr einsam, seine Frau hat ihn schon vor langer Zeit verlassen, sein Sohn fast ebenso lange keinen Kontakt mehr zu ihm und auch seine Tochter, die in einer gefährlichen Beziehung lebt, besucht ihn nur ab und zu.

Walter ist auch kein sehr umgänglicher Mann, er besteht auf der Einhaltung von Ordnung, er wehrt sich gegen Ungerechtigkeit und wenn etwas nicht so läuft, wie andere, so z.B. seine Vorgesetzte Sabine, sich das vorstellen, dann ist seine Standardantwort: Das ist nicht meine Schuld.

Als er sich mit einem der Kunden in seinem Zustellbezirk eine sehr heftige Auseinandersetzung liefert, eskaliert das Ganze und er soll frühpensioniert werden. Er wehrt sich und wird deshalb, um Zeit zu gewinnen, nach Engelskirchen versetzt, in das Postamt des Christkinds. Seine Aufgabe dort: Vorformulierte Briefe in Umschläge zu stecken als Antwort auf die vielen Kinderbriefe mit deren Wünschen.

Dabei stößt er eines Tages auf den Brief von Ben, der um Hilfe bittet. Nach und nach stellt sich heraus, was den Jungen beschäftigt, was seine Sorgen sind. Er will nicht wie die anderen Kindern teure Weihnachtsgeschenke, sondern, dass jemand seiner traurigen Mutter hilft, die unter Depressionen leidet. Und er wünscht sich einen Freund.

So wird Walter unter dem Decknamen Gott zu Bens Freund. Die Nöte des Jungen beschäftigen Walter immer mehr, immer mehr nimmt er sich deren an, will dem Kind Freunde verschaffen, ihm Geschenke machen. Doch immer wieder geht auch was schief dabei. Und immer wieder gerät Walter deswegen auch in Konflikt mit seiner neuen Vorgesetzten, die ebenfalls Sabine heißt.

Wie sich diese Geschichte entwickelt, wie sich auch Walter immer mehr ändert, das ist sehr berührend und mit viel Verständnis und Empathie beschrieben. Eingeschoben in die Rahmenhandlung sind Rückblicke auf die Kindheit, die Jugend und das weitere frühere Leben von Walter. So erfährt man, wie er aufwuchs, warum er Briefträger wurde, warum seine Ehe scheiterte und sich sein Sohn von ihm abwandte. All das ist ungemein traurig, andererseits auch wieder mutmachend.

So ist der Roman fast ein bisschen ein Weihnachtsmärchen, ohne dabei rührselig oder zu kitschig zu werden. Natürlich bleibt ein bisschen Kitsch nicht aus bei einem solchen Thema, aber Andreas Izquierdo kann eben einfach gut schreiben, so dass alles wunderbar zusammenpasst. Und die Lektüre dieses kleinen feinen Buchs einfach nur Freude macht, trotz der oft traurigen Ereignisse.

Natürlich gibt es das eine oder andere, das fehlt. So blieb für mich die Frage offen, warum sich Walters Kinder so unterschiedlich entwickelt haben, gut situierter Akademiker der eine, Regaleinräumerin im Supermarkt die andere. Auch blieb offen, woher die Depression von Bens Mutter rührt, das hätte gerne etwas mehr Raum im Roman einnehmen dürfen.

Insgesamt aber hat mich dieser Roman wieder einmal voll überzeugt. Ein perfektes Weihnachtsgeschenk, aber auch zum Selberlesen unbedingt zu empfehlen.

Andreas Izquierdo – Kein guter Mann
DuMont, September 2023
Gebundene Ausgabe, 395 Seiten, 24,00 €

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