Anne Weiss: Mein Leben in drei Kisten

Ein Radiointerview hatte mich auf dieses Buch aufmerksam gemacht. Erwartet hatte ich daraufhin einen Ratgeber, wie man am geschicktesten und elegantesten sein Zuhause ausmistet. So wurde dieses Buch in dem gehörten Interview mit der Autorin geschildert.
Doch irgendwie kann sich das Buch nicht so richtig entscheiden, ob es nun eine Anleitung sein will zum Entrümpeln der eigenen vier Wände und des eigenen Lebens oder doch die biografische Aufarbeitung der Vergangenheit der Autorin Anne Weiss.

Das Buch beginnt mit der Rückkehr von einer ausführlichen Indienreise, welche der Autorin die Diskrepanz zwischen ihrem ziemlich luxuriösen Leben hier und der Armut dort vor Augen führt. Da sie auch gerade ihre Stellung verloren hat, scheint nun der ideale Zeitpunkt gekommen, dieses Leben umzukrempeln und zwar indem sie sich von all den überflüssigen Dingen trennt, die sie angesammelt aber nie gebraucht hat.

Sie fängt mit ihrem Kleiderschrank an und durchforstet ihn nach Kleidungstücken, die sie nie oder nur wenig getragen hat, um all diese auszusortieren. Leider aber zieht sich diese Aktion sehr lange hin, die Leserin erfährt die Geschichte jeder Hose und jedes Paars Schuhe, warum, wann und wie die Autorin sich dieses Teil erwarb. Und so geht es weiter, als sie ihre Wohnung nach „Stehrümchen“, also allem im Laufe der Jahre angesammelten Kitsch und Nippes durchsucht. Zu jeden Stück erzählt sie ausführlich die Umstände, wie sie zu der Figur oder dem Bild gekommen ist. So wird das ganze Buch zu einem Rückblick auf das Leben von Anne Weiss. Das ist recht interessant und vor allem ist es gut geschrieben. Der Stil der Autorin ist flüssig, abwechslungsreich und humorvoll.

Zwischen die einzelnen Kapitel sind jeweils nützliche Informationen eingefügt, wie zum Beispiel Aufbewahrungsfristen und -tipps für wichtige Dokumente, Webadressen für Second-Hand-Verkäufe oder Annahmestellen für Spenden. Im Laufe des Buches werden daraus immer mehr Tipps für nachhaltiges Wirtschaften, wie man Müll spart, wie man Reinigungsmittel oder Kosmetika selbst herstellt bis hin zu „Tricks, um einen weiten Bogen um einen unnötigen Kauf zu machen“ (S. 249)

Durch diese eingeschobenen Hinweise ist dieses Buch schon ein nützlicher Ratgeber. Dennoch fühlte ich mich beim Lesen nicht wirklich wohl. Wenn die Autorin darüber klagt, dass sie zu viele Blusen im Schrank hat, dass sie ein Cocktailkleid nur einmal getragen hat, dass sie ein umfangreiches Sortiment an elektrischen Helfern hat, die sie nie benutzt, all diese Klagen wirken auf mich wie Jammern auf sehr hohem Niveau. Sie klagt über ein Luxusproblem, von dem der Großteil der Menschen, auch hier in Deutschland, wirklich nur träumen kann. Jemand, der sich Mahlzeiten buchstäblich vom Mund abspart um seinem Kind zum Geburtstag wenigstens einen Teddy schenken zu können oder der im Winter mit zerschlissenen Turnschuhen hinausgeht, weil er kein Geld für warme Stiefel hat – der dürfte wenig Verständnis für die Sorgen der Autorin haben.

Von daher ein Buch für Jene, die Interesse am Leben der Anne Weiss haben, aber eher kein Ratgeber, der beim Aufräumen hilft.

Anne Weiss: Mein Leben in drei Kisten
Knaur, Dezember 2019
Paperback, 288 Seiten; 14,99 €

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