Daniel Mason: Der Klavierstimmer ihrer Majestät

Edgar Drake ist Klavierstimmer im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Besonders spezialisiert ist er auf Erard-Flügel, die er sehr schätzt. Da erhält er überraschend einen außergewöhnlichen Auftrag: er soll den Erard-Flügel des Militärarztes Anthony Carrol stimmen. Das Instrument befindet sich allerdings im Dschungel von Birma, dem heutigen Myanmar, eine Region, die zu dieser Zeit im britisch-birmanischen Krieg heftig umkämpft ist.

Nach anfänglichem Zögern macht sich Drake im Jahr 1886 auf die weite und beschwerliche Reise. Er ist nicht nur wegen der Gefahren der Reise aufgeregt, sondern auch sehr neugierig auf den Arzt, der für das britische Militär ausgesprochen wichtig sein muss, wenn man all dies für ihn organisiert.

Nach einer wochenlangen Reise mit Schiff und Bahn, zu Pferd und auf Elefanten kommt Edgar Drake schließlich im Dschungel an und gerät mitten in die Kämpfe und Auseinandersetzungen zwischen Briten und den Shan, einem dortigen Volksstamm.

Edgar Drake ist ein ruhiger, nachdenklicher Mann in mittleren Jahren, er ist glücklich verheiratet und er liebt seinen Beruf. Er hat keine Ahnung von militärischen Dingen und für die Geschicke Birmas hatte er bislang eher geringes Interesse. Doch als er Anthony Carrol begegnet wird er hineingezogen in die Bräuche und Gepflogenheiten der Burmesen und erliegt der Faszination der Landschaft. Und er verfällt geradezu dem Charisma des außergewöhnlichen Arztes. Carrol glaubt an die Kraft der Musik, daran, dass die Musik Frieden schaffen kann.

Ich war von Daniel Masons 2019 erschienenen Buch „Der Wintersoldat“ begeistert. Der Roman „Der Klavierstimmer ihrer Majestät“ wurde im Original bereits 2002 veröffentlicht. Er hat mich leider nicht so gefesselt wie das spätere Buch.

Für jeden, der gerne Reiseberichte und ethnologische Betrachtungen liest, der mit Geduld und Ausdauer ein Buch lesen möchte, in den wenig geschieht und viel geredet wird, für den ist der Roman sicher ein Genuss. Doch für mich war beispielsweise die sich über die ersten 200 Seiten des Buchs ausdehnende Anreise Edgar Drakes zu lang, zu ausführlich und zu wenig spannend. Es werden detailliert und ausführlich Geschichten einzelner Personen erzählt, die für die Handlung des Romans keinerlei Bedeutung haben und die seitenlange und erschöpfende Beschreibung des Innenlebens eines Erard-Flügels begeistert vermutlich vor allem Fachleute.

Erst ganz am Ende, auf den letzten Seiten, bekommt die Handlung Fahrt, entsteht so etwas wie Spannung. Dabei ist der Protagonist durchaus sympathisch, man fühlt und leidet mit ihm, man sorgt sich um ihn, der ein wenig weltfremd und naiv den Auseinandersetzungen und militärischen Aktionen gegenübersteht. Auch der Arzt Anthony Carrol ist ein sehr interessanter Charakter, vielschichtig und außergewöhnlich. Stilistisch ist das Buch lesenswert, der Autor führt uns die Natur, die Menschen und Tiere plastisch vor Augen und das in nahezu poetischer Weise. Nur leider verliert sich der Roman immer wieder in, jedenfalls meiner Meinung nach, zu vielen Details und Nebensträngen.

Für Liebhaber von historischen Reiseromanen, Musikbegeisterten oder an birmesischer Geschichte Interessierten ist das Buch jedoch sicher eine perfekte Lektüre.

Daniel Mason: Der Klavierstimmer ihrer Majestät
C.H.Beck, April 2020
Gebundene Ausgabe, 397 Seiten, 24,00 €

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